Gestern wurde die Kunstaktion STILLE in unserer Kirche eröffnet. christusnews dokumentiert hier mit der gestrigen Predigt einen Zugang zur Ausstellung. Die Kirche ist mit ihrer Aktion täglich zu besichtigen.

STILLE

Predigt zur Kunstinstallation

in der Christus– und Garnisonkirche

25. August 10 Uhr

Anlässlich der 150 Jahrfeier der Kirche

Einstieg

Als ich anfing zu studieren, probierte ich alle Angebote der Hochschule, an der ich anfing, aus. Kirchliche Hochschule Bethel. Dazu gehörte auch ein Projekt des Professors für Kirchengeschichte, der eine morgendliche Andachtsform etabliert hatte. Sie beinhaltet Frömmigkeitsformen, die ich damals nicht kannte und nicht mochte und die ich heute immer noch nicht gut finde. Dazu gehörten auch gehörige Portionen Schweigezeit. Ich weiß noch genau, dass je länger diese Zeiten gingen, desto unwohler war mir. Sei stille vor Gott, so heißt es in den Psalmen und irgendwie musste es doch möglich sein, Gott zu zwingen, in der Stille zu uns zu kommen. So wirkte es für mich immer.

Zu mir kam er nie in der Stille.

Aber regelmäßig fing mein Magen an zu knurren.

Damals wusste ich schon:

Ich kann schlecht Still sein. Das war schon immer so. In der Schule musste ich immer meinen Mund aufmachen, wenn es zum Konflikt kam. Beim Handball liebte es mein Team, mir zu sagen; Frank Du bist jetzt still, wenn der Schiri etwas Falsches getan hatte, auch wenn ich gar nichts sagen wollte, das war irgendwie reflexartig. Heute nehme ich mir manches Mal vor, ich bin jetzt still und sag dazu nichts und doch am Ende habe ich doch wieder meinen Mund aufgemacht und etwas gesagt.

Ich kann so schlecht still sein.

Stille 150 Jahre WHV

Obwohl, manche Stille ist aufgeladen. Als vor 150 Jahren hier der Grundstein gelegt wurde, da war es vor diesem Tag und nach diesem Tag neben dem Baulärm der alles erfüllte, still. Hier fing etwas an. Hier gab es nichts. Da , wo man heute bei Kusch oder im Chaos oder sonst wo in der Südstadt Meile sitzen kann, da war es still. Nichts, Nada, Niente. Wüst und leer. Tobuwabohu.

Es war ein wenig wie Die Ruhe vor dem Sturm!, den die Kriegsherren geplant hatten. Der Ort für die große Flotte. Von hier aus, sollten Kriege möglich sein. Nach den ersten Spatenstichen wurde die Stadt aus dem Boden gestampft, aus mit STILLE. Hier brodelte es und kochte es. Die Tafeln in unserer Kirche erzählen davon, wie der Krieg in die Welt geschickt wurde. Still gelegt sind die Tafeln jetzt. Still? Oder hört Ihr sie noch wispern erzählen? Seht Ihr sie noch? Klar eins bis neun. Aber wisst Ihr , was da darauf steht. Woran es erinnert? Ja klar, der Herero Aufstand. Aber welches Bild ist da drauf, ein Mann, eine Familie, eine Gruppe? Und habt Ihr Ponape schon mal gehört? Der große Kurfürst? Alles in dieser Kirche redet mit uns und beeindruckt uns, auch wenn wir gar nicht wissen, was da ist:

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet … Bonhoeffer hat das getextet und hat Gottes Stille und Nähe damals gemeint, die ihm Kraft gab (also diese Stille, die ich damals in Bethel nicht fand) aber man kann diese Stille heute auch anders verstehen: Die Stille der Tafeln, die sich uns einbrennt, die unseren Raum beeinflusst.

Jahrzehnte später zog immer wieder die STILLE hier in die Räume ein. Die Stille, die man erlebt, wenn Abschiede größer sind, als das was man aushalten kann. Manche Gedenkfeier in dieser Kirche war nicht nur für einen Verstorbenen, sondern für Dutzende, Hunderte, Tausende. Und die Erde war Tohuwabohu, sie war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe. Und die Stille bekam einen anderen und neuen Klang. Die Namen der Wappen der Schiffe erzählen davon und dahinten im Mahnmal sind sie erinnert und ausgeschrieben. Und auch hier ist es so:

lest Ihr und wisst Ihr in welcher Bank Ihr sitzt und seid?

Nach 150 Jahre feiern – folgt Stille

150 Jahre WHV. Die Stadt erinnert sich und feiert das mit vielen Festen. Wir waren bei manchem dieses Jahr dabei. Das eine oder andere Mal standen wir sogar richtig im Mittelpunkt. Grundsteinlegung oder Tag der Niedersachsen. Still war es da wahrlich nicht.

Stille in der Kirche

Warum heißt diese Aktion STILLE? Haben einige gefragt und gesagt: Na, das ist doch einfach nur verhängt worden. Ja, es ist verhängt, aber nicht nur einfach verhängt. Es ist bewusst so verhängt worden, wie es jetzt aussieht. Es soll tatsächlich wie ein amerikanisches Sommerhaus wirken, das für den Winter bereitet worden ist. Dabei ist hier nichts zerstört oder herausgenommen worden, sondern lediglich dem Wert des Gegenstands entsprechend „würdevoll“ zugedeckt, so dass es nach einer gewissen Zeit ganz einfach (frisch und unversehrt) wieder freigelegt werden kann. Unsere STILLE hier regt auch dazu an, uns zu fragen, was bestimmt an militärisch historischen Elementen diese Kirche. Was redet also sozusagen die ganze Zeit zu uns? Hier ist niemals Schweigen. Ständig klingt etwas mit. Wir, die wir zu dieser Kirche gehören und uns hier heimisch fühlen, sie als unsere ansehen, sind beeinflusst davon. Wir sind so, wie wir sind, weil wir hier sind. Egal, ob wir das Interieur gut finden oder ob wir dazu distanziert stehen. STILLE regt dazu an, den Diskurs über die Kirche noch einmal grundlegend zu führen. Eigentlich tun wir das ja immer wieder. Das SEIN bestimmt das Bewusstsein. Tina Asche hat in der Vorbereitung gesagt, dass wir mit dieser Ausstellung sozusagen für eine begrenzte Zeit auf des Reset Knopf drücken. Wir setzen alles auf NULL und kommen nicht umhin, uns auch selbst ernsthaft zu befragen.

Stille im Glauben & Stille kann wehtun

Abraham glaubte an Gott,

der die Toten lebendig macht

und aus dem Nichts

alles ins Dasein ruft.

Was brauchen wir zum Glauben, auch das fragt unsere Ausstellung. Und vielleicht ist das die grundlegendste Infragestellung. Was gehört zu einer Kirche dazu. Was muss hier sein? Ein Kreuz? Ein Altar? Bilder? Kerzen? Eine Kanzel? Überall, wo wir jetzt genickt haben, da finden wir Gegenbeispiele und Traditionen, wo das jeweils nicht gebraucht wird oder auf jeden Fall dazugehört. Die größte Herausforderung unseres Glaubens ist vielleicht tatsächlich, dass es nichts zum Festhalten gibt.

… der die Toten lebendig macht

und aus dem Nichts

alles ins Dasein ruft.

Der Auferstandene ist einer, den wir nur glauben können. Ich möchte das wohl festhalten, wie der ungläubige Thomas (ach ja, wo ist der denn jetzt noch mal….). Meine Finger dahin legen, wo ich weiß, das gibt es wirklich. Aber eigentlich sind die Eckdaten nur Menschenwerk. Gemeinde und Kirche ist da handfest vorhanden, wo gemeinsam etwas passiert. Wo gelebte Liebe sich auswirkt, wo Gemeinschaft entsteht. Alles andere ist Menschlich. Manche Reformatoren haben das vor 500 Jahren auf die Spitze getrieben: sie haben alles Bildliche aus den Kirchen entfernt. Bilderstürmerei so nannte man das.

STILLE ist keine Bilderstürmerei.

STILLE fragt nach dem, was Dir und mir wichtig ist.

Kreuz – Altar – Bilder – Kerzen – Abendmahl – Taufe – Gemeinschaft.

Was brauchen ich im Glauben?

Was im Gottesdienst?

…….aber Gott war nicht in dem Sturm.

und nicht im Erdbeben.

Und nicht im Feuer.

Nach dem Feuer kam ein leises Flüstern

wie die Ruhe nach dem Sturm.

So sei es…..