Bremen ist laut einer Bertelsmann-Studie Spitze in Sachen Inklusion an den Schulen. Auch Niedersachsen sei gut vorangekommen. Doch Kritiker warnen, der genaue Blick zeigt noch viele Schwachstellen auf.
Bremen/Hannover (epd). Die schulische Inklusion von Kindern mit Behinderungen ist in den vergangenen Jahren in Niedersachsen und Bremen offenbar gut vorangekommen. Nach einer Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung ist Bremen bundesweiter Spitzenreiter bei der Inklusion, wie die Stiftung am Montag in Gütersloh mitteilte. Dort gehen nur noch 1,2 Prozent aller Schüler auf Förderschulen. Niedersachsen kommt im Ländervergleich mit 3,4 Prozent auf den fünften Platz und liegt damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 4,3 Prozent. Wohlfahrtsverbände, Gewerkschafter und die Opposition im Landtag fordern gleichwohl Verbesserungen.
Inklusion bedeutet, dass die Regelschulen auch diejenigen Schüler aufnehmen, die zum Beispiel aufgrund einer Behinderung, Lernschwierigkeiten oder sozialen Problemen besonders gefördert werden müssen. Nach der Analyse des Bildungsforschers Klaus Klemm ist der Anteil der Kinder, die an separaten Förderschulen unterrichtet werden, in den letzten Jahren bundesweit gesunken. Im Jahr 2008 hatten in Deutschland noch 4,9 Prozent aller Schüler eine Förderschule besucht – bis 2016 sank die Quote um 0,6 Prozentpunkte. Zwischen den Bundesländern gibt es allerdings große Unterschiede. Bertelsmann-Stiftungsvorstand Jörg Dräger forderte daher bundesweit einheitliche Qualitätsstandards.
Niedersachsen hat seit 2013 den gemeinsamen Unterricht aufsteigend eingeführt. Ursprünglich sollten dabei bestimmte Förderschulen nach und nach abgeschafft werden. Nach Widerständen aus der CDU einigte sich die rot-schwarze Landesregierung aber darauf, die Fristen für ein Auslaufen der Förderschulen Lernen deutlich zu verlängern. Der Sozialverband Deutschland kritisierte, dass die schwarz-rote Koalition in Niedersachsen den Prozess der Inklusion verlangsame. Sie werde «auf die lange Bank geschoben», sagte Verbandspräsident Adolf Bauer.
Birgit Eckert vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sagte, das Land sei zwar auf dem richtigen Weg. «Aber im Kleingedruckten kann man lesen, was noch verbessert werden muss.» Nach wie vor hätten die Regelschulen zu selten die personelle und räumliche Ausstattung, um das Miteinander von Kindern mit und ohne Behinderungen gut gestalten zu können. Laut der Studie besuchten Kinder mit sozial-emotionalen Beeinträchtigungen sogar häufiger die Förderschule als früher. «Die Regelschulen sind mit dieser Thematik überfordert.»
Wie der Paritätische forderten auch die Grünen im Landtag einen Masterplan Inklusion. Der Aufbau multiprofessioneller Teams müsse stärker forciert werden, sagte die bildungspolitische Sprecherin der Partei, Julia Willie Hamburg. «Die Anzahl von Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen muss endlich zunehmen.»
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Niedersachsen hält ebenfalls mehr Personal und mehr Fortbildungen für nötig. Die Zuweisungen der Förderlehrer und therapeutischen Fachkräfte dürften nicht mehr an einzelne Schüler mit Förderbedarf gekoppelt werden, sagte die Landesvorsitzende Laura Pooth. Dies stigmatisiere diese Schüler nur. Zusätzliche Mittel müssten insgesamt in die inklusive Schule gegeben werden.
Bundesweit haben neben Bremen und Niedersachsen auch Schleswig-Holstein (2,1 Prozent), Berlin (2,8 Prozent) und Hamburg (3,1) besonders niedrige Anteile separat unterrichteter Kinder. In Baden-Württemberg (4,9 Prozent), Bayern (4,8 Prozent) und Rheinland-Pfalz (4,0 Prozent) ist die Quote der Förderschüler der Analyse zufolge in den letzten zehn Jahren sogar gestiegen. Die höchsten Anteile von Kindern auf Förderschulen haben Mecklenburg-Vorpommern mit 6,0 Prozent, Sachsen-Anhalt (5,9 Prozent) und Sachsen (5,7 Prozent).
Source: Kirche-Oldenburg