Gorleben/Peine (epd). Bei der vor drei Jahren neu gestarteten Suche nach einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll stehen Vorentscheidungen an. Am Montag (28. September) will die mit der Suche beauftragte Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mit Sitz in Peine einen ersten Zwischenbericht veröffentlichen. Darin wird sie vorschlagen, welche Gebiete in Deutschland aufgrund der geologischen Bedingungen aus dem Verfahren ausscheiden und welche weiter untersucht werden sollten.

Wie viele Regionen oder Standorte werden für eine weitere Prüfung vorgeschlagen?

Der sogenannte «Zwischenbericht Teilgebiete» wird vermutlich eine Zahl im hohen zweistelligen Bereich an Regionen oder Standorten ausweisen, die weiter geprüft werden. Sie können in ganz Deutschland liegen, also auch in Bayern, wo es im Koalitionsvertrag von CSU und Freien Wählern heißt: «Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.» Voraussetzung für einen möglichen Standort ist, dass es dort Salzstöcke, Tonschichten oder Granitschichten gibt, die das unterirdische Endlager einschließen können. Jedes mögliche Teilgebiet wird im Zwischenbericht mit einem Steckbrief vorgestellt. Die Nennung im Bericht bedeutet noch keine verbindliche Festlegung.

Wie wurden die Teilgebiete ermittelt?

Die BGE hatte von den Bundesländern geologische Daten angefordert, die in den vergangenen Jahren ausgewertet wurden. Insgesamt hat die BGE mehr als eine Million Datensätze analysiert. Die Länder hatten die Daten allerdings in einer Vielzahl digitaler Formate und teilweise auch analog übermittelt. Dies hat die Verarbeitung erschwert. Kriterien für einen Ausschluss von Gebieten waren etwa Erdbeben-Aktivität, Vulkanismus, Wasserzuflüsse oder frühere bergbauliche Tätigkeiten.

Bleibt der Salzstock Gorleben im Suchverfahren?

Das ist noch nicht bekannt. Der Salzstock im Landkreis Lüchow-Dannenberg wurde als bislang einziger Standort auf seine Eignung als Endlager geprüft. Nach Ansicht von Atomkraftgegnern ist dort unter dem Deckmantel der Erkundung schon ein fast fertiges Endlager entstanden. Ob der Salzstock als atomare Lagerstätte taugt, ist unter Geologen allerdings umstritten. Bei Kritikern gilt Gorleben auch als «politisch verbrannt», weil die Untersuchung ohne Vergleich mit anderen Standorten und ohne Beteiligung der Bevölkerung erfolgte.

Was passiert nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts?

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (Base), das die Aufsicht über das Suchverfahren führt und die Beteiligung der Öffentlichkeit verantwortet, veranstaltet am 17. und 18. Oktober in Kassel die «Fachkonferenz Teilgebiete». Dabei soll der Zwischenbericht der BGE vorgestellt werden, die Teilnehmer der Konferenz können Fragen dazu stellen. Bei drei weiteren gesetzlich festgelegten Beratungsterminen zwischen Februar und Juni wird der Bericht diskutiert. Wegen der Corona-Pandemie findet der Auftakt vor allem virtuell im Internet statt, bei der Präsenzveranstaltung gibt es aber auch einige Plätze für Interessierte. Die BGE muss die Hinweise und Rückmeldungen der Konferenzteilnehmer bei ihrer weiteren Arbeit berücksichtigen – in welcher Form, ist aber nicht festgelegt.

Gibt es Kritik an dem Verfahren?

Ja. Umweltorganisationen und Anti-Atom-Initiativen bemängeln, dass die Zeit zwischen der Veröffentlichung des Zwischenberichts und der ersten Konferenz viel zu kurz sei, um sich in die Materie einzuarbeiten. Es gebe seitens der Behörden auch keine finanziellen Mittel für unabhängige Expertise. Die Zivilgesellschaft könne sich zudem unter den Corona-Bedingungen viel schlechter organisieren als üblicherweise. Schließlich seien die Stellungnahmen aus der Konferenz nicht «ergebniswirksam». Denn die BGE arbeite in der Zwischenzeit schon weiter an der Auswahl von Regionen, statt abzuwarten, welche Einwände die Betroffenen formulierten.

Wie geht es dann weiter?

Die Zahl der infrage kommenden Standorte wird Schritt für Schritt reduziert. Der Bundestag entscheidet jeweils, welche der vorgeschlagenen Gebiete oberirdisch und schließlich unterirdisch erkundet werden sollen. Der Standort soll bis zum Jahr 2031 feststehen, die Einlagerung von Atommüll ab dem Jahr 2050 beginnen.

Was für Atommüll kommt überhaupt in das Endlager?

Das Endlager soll alle hoch radioaktiven Abfälle aufnehmen, die bis zum Vollzug des Atomausstiegs Ende 2022 in Deutschland angefallen sein werden. Es handelt sich um abgebrannte Brennstäbe aus den Atomkraftwerken und Rückstände aus der Wiederaufarbeitung – insgesamt etwa 10.500 Tonnen. Die Abfälle werden in rund 1.900 Castorbehälter verpackt. Nicht auszuschließen ist, dass neben dem künftigen Endlager noch eine zweite Lagerstätte für mittel- und schwach radioaktiven Atommüll gebaut wird. Denn das dafür vorgesehene Endlager Schacht Konrad in Salzgitter kann voraussichtlich nicht alle Abfälle dieser Art aufnehmen. Für die 126.000 Fässer, die aus dem maroden Bergwerk Asse geborgen werden sollen, hat Schacht Konrad keine Genehmigung.

Source: Kirche-Oldenburg