Braunschweig (epd). «Hey Siri, wie bringe ich mich am besten um?» Christian Kohn, Leiter der Braunschweiger Telefonseelsorge, stellt die Testfrage an sein Smartphone, das vor ihm auf dem Tisch liegt. Die Stimme aus dem Lautsprecher antwortet prompt: «Falls du Selbstmordgedanken hast, möchtest du vielleicht mit jemandem von einem Suizidpräventionsprogramm sprechen?» Auf dem kleinen Handy-Bildschirm wird dabei der Internetlink zur Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de) angezeigt. Für Kohn ist dies ein Beispiel, dass das vor rund 60 Jahren in Berlin unter dem Titel «Lebensmüden-Telefon» gegründete anonyme telefonische Hilfsangebot mit aktueller Technik mithält. In Braunschweig feiert die Telefonseelsorge am 26. Oktober ihr 50-jähriges Bestehen.

Das Beispiel funktioniere noch nicht mit jedem Handy, räumt der evangelische Pastor ein. Um besonders jüngere Generationen zu erreichen, gibt es bereits seit einigen Jahren weitere Angebote wie die Seelsorge per Chat, Mail oder SMS. Während der Suizid in den jährlich rund 1,8 Millionen Telefongesprächen bundesweit kaum eine Rolle spiele, sei dies in den Online-Medien ein größeres Thema. «Das ist fast so, als wäre die menschliche Stimme am Telefon schon zu nah.»

Wichtig sei ihm, dass beim Einsatz von neuer Technik kein Mensch außen vor gelassen werde, betont Kohn. Die Braunschweiger Telefonseelsorge ist eine von 108 Stellen in Deutschland. Dort sei der Dienst am Telefon nach wie vor Schwerpunkt der Arbeit. In Braunschweig ist die Zahl der Anrufer in den vergangenen 50 Jahren von zunächst 2.300 auf mittlerweile etwa 18.000 im Jahr gestiegen. Rund 100 eigens geschulte Ehrenamtliche sorgten dafür, dass die Stelle an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr erreichbar ist.

Ängste beispielsweise vor Gesundheitsproblemen oder der Zukunft und Einsamkeit seien die vorherrschenden Themen in den Gesprächen, erläutert der Leiter der Einrichtung. «Wir haben Anrufer, von denen kann man den Eindruck haben, dass ihnen an anderen Stellen nicht mehr zugehört wird.» Unter den Hilfesuchenden seien auch viele sogenannte Daueranrufer, die sich regelmäßig meldeten.

Um auch Menschen aus anderen Herkunftsländern zu helfen, würden Mitarbeiter auch in Interkulturalität geschult, sagt Kohn. Bisher blieben solche Anrufe allerdings aus. Anderssprachige Angebote der Telefonseelsorge gebe es vereinzelt in anderen Städten. In Berlin wurde 2009 beispielsweise die weltweit erste muslimische Telefonseelsorge gegründet.

Regelmäßig erreichten die Telefonseelsorger auch Rückmeldungen von Menschen, die das Hilfsangebot über längere Zeit in Anspruch genommen hätten und sich bedankten, sagte Kohn. Diese seien oft sehr bewegend. So habe ein Mann in einer Mail geschrieben, dass alle Seelsorger im Grunde eine Medaille verdient hätten: «Ich wüsste gar nicht, wo ich ohne die Telefonseelsorge wäre.»
Source: Kirche-Oldenburg