Bremen (epd). Unter dem Titel «Und wohin jetzt?» hat die Bremer Shakespeare Company am Freitagabend Premiere einer szenischen Lesung gefeiert, die dokumentarisch den diskriminierenden Umgang mit sogenannten «Zigeunern» im Deutschen Kaiserreich schildert. Die Produktion ist Teil der Reihe «Aus den Akten auf die Bühne» und entstand in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Sevilla, Liverpool, Helsinki und Krakau.

 

«Und wohin jetzt?» erzählt die Geschichten von Familien auf der Suche nach einem Leben frei von staatlicher Verfolgung und gesellschaftlicher Ausgrenzung: Im Deutschen Kaiserreich waren Menschen, die als «Zigeuner» stigmatisiert wurden, Anfeindungen, Repressionen und Abschiebungen ausgesetzt. Politiker hetzten gegen sie, Polizeibehörden erfassten und kriminalisierten sie. «Viele versuchten sich an anderen Orten eine Zukunft aufzubauen, doch wohin sie auch kamen: Diskriminierungen erwarteten sie überall in Europa», erläuterte Regisseur Peter Lüchinger.

 

1906 reisten rund 150 deutsche Frauen, Männer und Kinder aus dem Kaiserreich nach Großbritannien. Sie wollten auf Pferde- und Jahrmärkten Geld verdienen und ein Leben ohne Schikanen führen. Doch auch hier stießen sie auf Ablehnung. Im britischen Parlament diskutierten Abgeordnete über schärfere Einreisebedingungen. In der Presse wurden sie als Eindringlinge beschrieben – häufig unter der Schlagzeile «German Gipsy Invasion». Die Polizei trieb sie von Ort zu Ort.

 

Die bundesweit einzigartige Projektreihe «Aus den Akten auf die Bühne» ist eine Kooperation der Universität Bremen mit den Theaterleuten der Bremer Shakespeare Company. Das Konzept entwickelte die Bremer Historikerin Eva Schöck-Quinteros: Studierende forschen in Archiven und Bibliotheken unter ihrer Leitung zu Themen des 20. Jahrhunderts. Ziel ist es, Akten auf der Bühne zum Sprechen zu bringen und auf diese Weise einem breiten Publikum quellenbasierte Forschung zu geschichtlichen Themen zugänglich zu machen.

 

Die dramaturgische Gestaltung und künstlerische Umsetzung übernimmt die Shakespeare Company unter der Leitung des Regisseurs und Schauspielers Lüchinger. «Und wohin jetzt?» ist die 16. Produktion der Reihe. Die nächste Vorstellung ist am 5. Juli im Theater der Shakespare Company am Bremer Leibnizplatz geplant.

Kirche-Oldenburg
Szenische Lesung schildert Ausgrenzung von «Zigeunern»