Hannover/Bremen (epd). In Niedersachsen und Bremen haben Vertreter von Gewerkschaften und Kirchen am "Tag der Arbeit" Missstände in der Arbeitswelt angeprangert. Der niedersächsische Gewerkschafts-Chef Hartmut Tölle forderte die Bundesregierung auf, gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen vorzugehen. Deutschland sei im letzten Jahrzehnt zu einem "Land der prekären Beschäftigung" verkommen, sagte der Landesvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Sonntag bei einer Kundgebung in Barnstorf.

In Niedersachsen nahmen dem DGB zufolge mehr als 50.000 Menschen an insgesamt 75 Veranstaltungen zum 1. Mai teil. Die Kundgebungen, Familienfeste und Konzerte standen unter dem Motto "Zeit für mehr Solidarität". Der "Tag der Arbeit" war auch Thema in zahlreichen Gottesdiensten.

Auch der katholische Prälat Peter Kossen übte scharfe Kritik am Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit. In Deutschland würden längst nicht nur in der Fleischindustrie jeden Tag hunderttausende vor allem osteuropäische Arbeitsmigranten systematisch ausgebeutet, sagte der Theologe am Samstagabend bei einem Gottesdienst in der Oldenburger Lambertikirche. "Der Missbrauch der Werkverträge frisst sich wie ein Krebsgeschwür quer durch unsere Volkswirtschaft."

Das System basiere vielfach auf dem skrupellosen Geschäft krimineller Subunternehmer, sagte Kossen laut Predigtmanuskript. Ihrer Willkür und Gier seien Werkvertrags- und Leiharbeiter oft schutzlos ausgeliefert. "Unternehmer, die das in ihren Unternehmen dulden, sind mitschuldig an moderner Sklaverei."

In der niedersächsischen Landeshauptstadt rief der hannoversche Landessozialpfarrer Michael Klatt dazu auf, den Sonntag als Ruhetag zu schützen. Einer Kommerzialisierung des Sonntags müsse entschieden entgegengetreten werden, sagte der evangelische Theologe in der zentralen Marktkirche. "Ruhe ist nicht der Gegensatz zur Arbeit, sondern ihre notwendige Ergänzung."  

Natürlich gebe es gesellschaftlich notwendige Arbeit an Sonntagen, beispielsweise in Krankenhäusern, der Landwirtschaft, der Polizei, der Gastronomie und auch in den Kirchen, sagte Klatt laut Predigtmanuskript. Es sei aber ein "Alarmsignal", dass die Zahl der am Sonntag arbeitenden Menschen in den vergangenen Jahren von sieben auf elf Millionen angestiegen sei. Die Arbeit in sogenannten Call-Centern aber auch die verkaufsoffenen Sonntage trügen dazu bei.

In Bremen warnte Gewerkschaftschefin Annette Düring vor neuen Herausforderungen in der Gesellschaft und der Arbeitswelt. "Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeit – also zeitlich und räumliche Entkopplung – nehmen nicht gekannte Ausmaße", sagte die DGB-Landesvorsitzende dem Bremer "Kurier am Sonntag". Gewerkschaften, Abeitnehmervertretungen und Politik seien gefordert, die Mitbestimmung weiterzuentwickeln, um den Herausforderungen gerecht zu werden.
Source: Kirche-Oldenburg