Hannover (epd). Sie ist gerne Gastgeberin, weil es ihr Freude macht, mit anderen einen Abend am Tisch zu verbringen: Die evangelische Theologin Margot Käßmann liebt die Tischgemeinschaft, weil sie Nähe und Beziehungen wachsen lässt. «Die Coronazeit lässt uns solche gemeinsamen Essen schmerzlich vermissen», sagt die frühere hannoversche Landesbischöfin und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

epd: Frau Käßmann, am Abend vor seinem Tod saß Jesus mit seinen Jüngern zum gemeinsamen Essen an einem Tisch. Wofür steht dieses Essen, an das Christen ja in Abendmahl und Eucharistie erinnern?

Margot Käßmann: Die Tischgemeinschaft ist ein Markenzeichen von Jesus. Er hat gern mit anderen zusammengesessen und bei Essen und Trinken über Gott und die Welt gesprochen. Etwa bei dem Geschwistertrio Maria, Martha und Lazarus. Miteinander essen erzeugt eine Dimension von Zeit und Gesprächsbereitschaft, die Nähe und Beziehungen wachsen lässt. All unsere «Essen to go» können niemals ersetzen, was entsteht, wenn wir ohne Druck beisammensitzen. Das Abendmahl symbolisiert diese Gemeinschaft. Real gelebt wird sie überall dort, wo wir uns Zeit und Raum nehmen, um sie entstehen zu lassen. Sie kann ja nicht verordnet werden.

epd: Was bedeutet Ihnen Tischgemeinschaft, beim Abendmahl, in der Familie, mit Freunden?

Käßmann: Wer sich darauf einlässt, erlebt oft Überraschendes, Neues, weil Menschen sich öffnen, erzählen. Im Hebräerbrief der Bibel steht: «Vergesst die Gastfreundschaft nicht. Denn durch sie haben manche, ohne es zu wissen, Engel beherbergt.» Ein schöner und weiser Satz. Ich bin keine großartige Köchin. Aber ich bin gern Gastgeberin, weil es mir eine Freude ist, mit anderen einen Abend am Tisch zu verbringen. Und ich bin auch gern Gast – wenn ich das Gefühl habe, das erzeugt keinen Perfektionsstress bei den Gastgebenden.

epd: Momentan ist das ja pandemiebedingt mit gegenseitigen Essens-Einladungen schwierig. Und auch Restaurant-Besuche sind nicht möglich, höchstens um Bestellungen abzuholen…

Käßmann: Ja, die Coronazeit lässt uns solche gemeinsamen Essen schmerzlich vermissen. Wir empfinden, wie sehr wir das schätzen, weil uns diese Begegnung ohne Tagesordnung und Zwang fehlt. Sie ist Teil unseres Menschseins, weil wir so Beziehungen pflegen.

Kirche-Oldenburg
«Teil unseres Menschseins» – Tischgemeinschaft und die Sehnsucht danach in Coronazeiten – Drei Fragen an Margot Käßmann