Blindentennis ist in Deutschland eine Nischensportart. Der Deutsche Meister Matthias Schmid und sein Trainer Marc-René Walter wollen, dass sich das ändert – und dass auch mehr Sehende mitspielen.

Göttingen/Löhne (epd). Sein Sport wird mit speziellen Bällen gespielt: Sie bestehen außen aus Schaumstoff, innen klebt ein hohler Golfball, der mit kleinen Metallkugeln gefüllt ist. Sie rasseln, wenn der Ball sich bewegt. Wenn Matthias Schmid beim Blindentennis einen Ball zugespielt bekommt, hört er sehr genau hin. «Wenn mein Gegner den Ball aufschlägt, bekomme ich die meisten Informationen», sagt der stark sehbehinderte Spieler.

Durch den Klang des ersten Schlags schätzt Schmid den groben Flugverlauf des Balls ab. «Ein Top Spin klingt satt, ein Slice eher schleifend», sagt er. In der Sehklasse des 54-Jährigen darf der Ball zweimal aufkommen, ehe er ihn wieder übers Netz spielen muss. Die Geräusche beim Aufprall helfen ihm, den Ball genau zu orten und zurückzuspielen. Je nach Sehklasse ist auch das Spielfeld kleiner als beim Tennis für Sehende. Rund 90 Aktive gehen dem Sport bundesweit nach.

Immer montags trainiert Schmid etwa drei Stunden bei Marc-René Walter vom Löhner Tennisclub. «Blindentennis gibt es seit fünf Jahren in Deutschland und seit viereinhalb Jahren in Löhne», sagt Walter. Unwissend biete der Verein die Sportart aber schon seit 15 Jahren an. Bevor Walter nämlich erfuhr, dass die Sportart vor rund 25 Jahren in Japan entstand, trainierte er die sehbehinderte Spielerin und heute zweifache Weltmeisterin Charlotte Schwagmeier. Und zwar über die «harte Schule», wie er das nennt – also ohne besonderen Ball und kleineres Feld.

Beim Training gibt Walter seinem Schüler Schmid sehr genaue Rückmeldungen: Er beschreibt präzise, wo seine Rückgaben landen, lobt gelungene Aufschläge und kritisiert, wenn er spät reagiert. Wer wie Schmid nicht vollblind sei und früher sehen konnte, verlasse sich oft noch auf seine Restsehkraft, erläutert er – dabei sei das Gehör beim Blindentennis entscheidend.

Matthias Schmid betreibt die Sportart seit zwei Jahren, im vergangenen Jahr wurde er Deutscher Meister. Der Kaufmann und Ausbilder im Sanitärgroßhandel erkrankte mit Anfang 30 an der Netzhautkrankheit Retinopathia pigmentosa. Dadurch sieht er nur noch an den Rändern seines Blickfelds etwas. Am Blindentennis gefalle ihm die Kombination aus Laufen, Koordination und Kondition. Marc-René Walter habe ihm vor allem taktisch einiges beigebracht, sagt Schmid. Und er helfe ihm, seine Nervosität in Turnieren abzubauen.

Walter sieht sich im Training als Dienstleister. Dank dem Blindentennis hinterfrage er eher sich als seine Spielerinnen und Spieler. Er verweist auf seine Schülerin Schwagmeier: Sie spielt heute im Doppel Tennis mit Sehenden zusammen – trotz deren Vorteil reagiere sie nach dem Aufschlag als erste. Die Methoden aus beiden Sportarten ergänzen sich in Löhne: So übt auch Matthias Schmid gelegentlich mit handelsüblichen Tennisbällen. Und sehende Spielerinnen und Spieler trainieren mithilfe von Blindentennisbällen oder Augenbinden ihr Gehör.

Walter und Schmid wünschen sich aber nicht nur, dass sich die Trainingsmethoden aus beiden Sportarten ergänzen – sondern vor allem, dass mehr Blinde und Sehende gemeinsam Blindentennis spielen und mehr Vereine die Sportart anbieten. Dafür lädt der Löhner TC zu Workshops ein, trägt Turniere aus und betreibt Öffentlichkeitsarbeit. Die Beteiligten hegen den langfristigen Traum, Blindentennis als paralympische Disziplin zu etablieren.

Auch für Sehende sei die Sportart attraktiv, sagt Walter. Die weichen Bälle flögen langsamer, also seien auch die Ballwechsel länger als beim Tennis für Sehende: «Blindentennis ist viel, viel strategischer und taktischer». Doch das bedeute nicht, dass man weniger ins Schwitzen komme, ergänzt Schmid: «Blindentennis ist genauso anstrengend und herausfordernd wie Tennis für Sehende.»

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