Die großen Holztüren mitten auf dem Kirchplatz in Jever sind schon ein Hingucker. Viele Passanten wundern sich, werden neugierig, fragen nach. Denn diese Holztüren sind keine gewöhnlichen Türen, vielmehr werden es von Tag zu Tag mehr Holztäfelchen, die hier einen Platz finden. Zu lesen ist darauf in knappen Worten, was sich Kinder wünschen oder wovor sie Angst haben. Diese Täfelchen wurden mit Hammer und Nagel an die Tür geschlagen, ganz so, wie es Martin Luther mit den 95 Thesen vor rund 500 Jahren in Wittenberg gemacht haben soll.
Dieser „Thesenanschlag“ gehörte zum Schülerprojekt, das jetzt über drei Tage in Jever / Landkreis Friesland stattfand. An verschiedenen Stationen haben sich Schüler unterschiedlicher Jahrgänge mit Fragen rund um Martin Luther und die Reformation beschäftigt. Rund 700 Schüler aller Altersstufen und Schulformen waren dabei, Schüler der Oberstufen waren auch bei Exkursionen, unter anderem im Marinemuseum im benachbarten Wilhelmshaven unterwegs.
Die Vorbereitungen zu diesen Projekttagen liefen bei Diakon Fredo Eilts und Kay-Britta Stahl, Schulseelsorgerin und Fachbereichsleiterin für evangelische Religion des örtlichen Mariengymnasiums zusammen. Stahl wurde für die Projekttage von der Schule freigestellt. Im Vorfeld wurde rund eineinhalb Jahre geplant, zahlreiche Mitstreiter wurden ins Boot geholt, neben den hauptamtlichen Kräften der Kirchengemeinde unter anderem auch freiberufliche Künstler und Pädagogen, die auf Honorarbasis tätig waren. Darüber hinaus halfen etliche ehrenamtliche Kräfte mit, Jugendliche, die an den Projekttagen ebenfalls von der Schule freigestellt wurden, und auch Erwachsene. Das Projekt war wohl eines der größten im Rahmen des Reformationsjubiläums in Norddeutschland.
„Es geht nicht um Beweihräucherung des Luthertums, es geht uns vor allem darum, dass sich die Schüler kritisch mit dem Erbe der Reformation und der Bedeutung für das heutige Leben auseinandersetzen“, betonte Diakon Eilts. Dabei sei aufgefallen, dass die Schüler gutes Vorwissen aus dem Unterricht mitgebracht hätten. Eine große Rolle spiele in der heutigen Gesellschaft der Faktor Angst, deshalb werde auch das bei dem Projekt aufgenommen.
Sehr gut kamen bei den Schülern die handwerklichen Arbeiten an. Hier wurden eigene Ideen mit Mitteln ungesetzt, wie sie früher, zu Luthers Zeiten üblich waren. Eilts und Stahl hoffen, mit dem Projekt eine Anregung gegeben zu haben, sich noch weiter mit der Thematik zu beschäftigen. Wer sich die Mühe macht, die Tafeln auf den Türen zu lesen oder die Bilder zu interpretieren, der zweifelt daran nicht. Kinder wünschen sich zum Beispiel weniger als acht Stunden Unterricht, damit noch Zeit für die Familie bleibt. Sie wünschen sich mehr Zeit mit dem Vater, der woanders lebt und wenig Zeit für sein Kind hat. Sie wünschen sich, dass die Familie das Rauchen aufgibt, weil es sie traurig macht, dass sie ihre Gesundheit schädigen und jeden Morgen husten müssen. Sie wünschen sich aber auch ein Ende für den Plastikmüll, „sonst geht die Welt kaputt“, mehr Umweltschutz, Gerechtigkeit, Toleranz und „Frieden für alle“.
Annette Kellin
Source: Kirche-Oldenburg