Wenn Kinder, die in ihrer Kindergartengruppe immer zurückhaltend reagierten, plötzlich hellwach und wissbegierig werden, wenn ein Vierjähriger, der in seiner Gruppe bislang kaum ein Wort gesprochen hat, sich endlich zutraut, im Gespräch auf andere zuzugehen, dann ist das auch für die Erzieher und Erzieherinnen ein ganz besonderer Moment. Solche Augenblicke gab es in den vergangenen Wochen immer wieder. Grund war die Corona-Krise und die damit einhergehende Einschränkung der Gruppengröße.
   
Sabine Wistuba, Leiterin des Christuskindergartens in Wilhelmshaven und ihre Kollegin Doris Voges, Kita-Leiterin in Wilhelmshaven-Heppens, die Erzieherinnen Melina Rector und Simone Ahlers sowie Pastorin Meike von Fintel als Vertreterin des Trägers, der evangelischen Kirche, berichteten jetzt über Erfahrungen in einer Zeit, in der die Kindergärten grundsätzlich geschlossen sind und lediglich eine Notbetreuung eingerichtet ist. Sie sprechen über „traumhafte Arbeitsbedingungen für Erzieher und Kinder und wunderbare Fortschritte“ bei etlichen Kindern. „Endlich konnten wir einmal so arbeiten, wie wir eigentlich immer arbeiten sollten“, sagte Wistuba. Trotz aller Einschränkungen empfinde sie die Situation auch als „ein Geschenk“.  
   
Weil zahlreiche Vorschriften zur Eindämmung des Virus einzuhalten waren, sei zunächst einmal der pädagogische Blick aufs Kind etwas vernachlässigt worden. Das habe sich aber ganz schnell verändert, denn der drängte sich fast wie von selber wieder in den Vordergrund als die Erzieherinnen und Erzieher feststellten, dass sich etliche Kinder in den um meist mehr als die Hälfte geschrumpften Gruppen geradezu sprunghaft weiterentwickelten. „Kinder, denen es immer schwer fiel, sich zu konzentrieren, die kriegen das jetzt hin. Die Kinder genießen die wesentlich ruhigere und vertrauensvolle Atmosphäre und lernen sich zu öffnen, sie trauen sich viel mehr zu, werden selbstbewusster“, berichtete Voges.
   
Für die Sprachförderung benötige man in der kleineren Gruppe mit maximal 13 Kindern keine weitere Kraft mehr. „Das können wir jetzt selber leisten, denn es ist plötzlich möglich, viele Alltagssituationen sehr intensiv und individuell sprachlich zu begleiten. Dinge erklären, benennen, nachsprechen lassen, intensive Gespräche mit den Kindern – das alles geht jetzt auch im alltäglichen Betrieb“, sagte Ahlers. Hier gebe es einen enormen Bedarf, mehr als die Hälfte der insgesamt 106 Kinder im Christuskindergarten benötigten eine Sprachförderung, die eigens dafür eingestellte Kraft habe aber gerade mal viereinhalb Stunden pro Woche für alle Kinder zur Verfügung.
   
Natürlich freue man sich auf bei weiteren Lockerungen auf die anderen Kinder. „Aber bei 25 Kindern ist man als Erzieherin ständig überall und nirgends. Eine intensive Arbeit ist gar nicht möglich“, sagte Melina Rector, die feststellte, dass die Arbeit in der kleinen Gruppe nicht nur den Kindern gut tut, sondern auch den Erzieherinnen eine weitaus höhere Arbeitszufriedenheit bringt. Das könnte zukünftig auch ein Faktor sein, dem Fachkräftemangel in diesem Beruf zu begegnen. Auch deshalb sei es jetzt an der Zeit, den Ruf nach kleineren Gruppen in den Kindertagesstätten wieder laut werden zu lassen, so Wistuba.  
   
Die Gruppengröße in Kindertagesstätten regelt sich laut Verordnung des niedersächsischen Kulturministeriums anhand der Raumfläche. Dabei sind in den Regelgruppen pro Kindergartenkind (drei bis sechs Jahre) eine Fläche von zwei Quadratmetern Grundfläche vorgesehen, für Krippenkinder (unter drei Jahren) drei Quadratmeter. In den meisten Einrichtungen werden 20 bis 25 Kinder ab drei Jahren sowie 15 Kinder unter drei Jahren in einer Gruppe betreut. Es sind jeweils zwei Betreuungskräfte vorgesehen. An dieser Regelung hat sich seit vielen Jahren nichts verändert.
   
Ein Beitrag von Annette Kellin

Source: Kirche-Oldenburg