Hildesheim (epd). Die Hamburger Trendexpertin Birgit Gebhardt hat Kirchenvertreter ermutigt, kirchliche Räume innovativer, hierarchiefreier und einladender zu gestalten. Es gehe gerade im digitalen Zeitalter darum, eine offene, wohnliche Atmosphäre zu schaffen, in der sich Menschen wohlfühlen, sagte die gelernte Innenarchitektin am Mittwoch bei einer Pastoren-Vollversammlung in der evangelischen Michaeliskirche in Hildesheim. Gebhard erforscht die Zukunft der Arbeitswelt und die Bedeutung von Räumen im digitalen Zeitalter. Sie sprach auf dem Generalkonvent des evangelischen Sprengels Hildesheim-Göttingen.

 

Gebhard sagte, Klöster könnten als Vorbilder für die vernetzte Arbeitswelt dienen, da sie bewusst gestaltete Räume für arbeitende Menschen bieten, etwa für das konzentrierte Lernen, für Austausch und Begegnung. «Von Klöstern können wir lernen, wie viel Kraft und Wertschätzung Orte für Menschen ausstrahlen können – auch in Bezug auf ihre Arbeit», sagte Gebhardt in ihrem Vortrag über den «Kommunikationsraum Kirche».

 

Wichtig sei es, dass Kirche Menschen nicht einschüchtere. Die moderne Lebens-, Lern- und Arbeitswelt sei geprägt von flachen Hierarchien, von einem Austausch auf Augenhöhe, davon, dass Menschen sich gemeinsam Wissen erarbeiten. Fortschrittliche Schulen und Unternehmen hätten längst Abschied genommen von dem Top-Down-Prinzip, nach dem Lehrer und Vorgesetzte Wissen und Entscheidungen über hierarchische Struktur weitergeben.

 

Ob Bildungseinrichtungen, Firmen oder Kirche, es gehe darum, Räume für individuelle Arbeitssituationen zur Verfügung zu stellen, Räume, in denen sich Menschen erfahren und ausprobieren können, sagte die Trendanalystin. Sie könne sich vorstellen, dass lange Tafeln in Kirchen Menschen zum Essen und Diskutieren einladen, dass die Höhe der Gebäude genutzt werde, um zweite Ebenen einzuziehen und so zusätzlichen Raum zu schaffen, um zu wandeln, zu sprechen oder einfach nur bei sich zu sein und die Stille zu genießen. «Teilhabe und Zugang sind dabei wichtige Stichworte.»

 

Viele Menschen müssen in Zeiten von Homeoffice und digitaler Vernetzung nach Ansicht von Gebhardt erst noch lernen, sich in der neuen Arbeitswelt zurechtzufinden. «Wir sind so sozialisiert, dass uns jemand sagt, da ist Dein Arbeitsplatz, dies und jenes hast Du zu tun», sagte die Zukunftsforscherin. «Sich selbst zu organisieren, Informationen zu besorgen, selbstbestimmt zu arbeiten – das will gelernt sein.»

 

Der Sprengel Hildesheim-Göttingen ist einer von sechs nicht selbstständigen Bezirken der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Ihm gehören neun Kirchenkreise mit rund 460.000 Gemeindegliedern an. In dem Sprengel, der den südöstlichen Teil der Landeskirche umfasst, sind rund 350 Pastoren und 80 Diakone tätig. Regionalbischöfin ist Adelheid Ruck-Schröder.

Kirche-Oldenburg
Trendforscherin: Kirchen verfügen über machtvolle Räume