Was ist gerecht? Und was ist zu tun, damit unsere Gesellschaft gerechter wird? Das sind Leitfragen einer bundesweiten Aktion im Zusammenhang mit Martin Luthers Thesenanschlag vor knapp 500 Jahren. Im Zentrum stehen Türen. Bemalte Türen.
Bremen (epd). Auf dem Rahmen tummeln sich bereits Dutzende Strichmännchen, rote, grüne, blaue und gelbe. Auf die Türfüllung malen Jenny Dotschat und Nermin Berisa gerade zwei Hände, schwarz und weiß, die ineinandergreifen. Das internationale «Peace»-Zeichen ist zu erkennen, ein lächelnder Rollstuhlfahrer und der Schriftzug «Refugees welcome»: So stellen sich die Jugendlichen, die sich im Freiwilligen Sozialen Jahr bei der Diakonie in Bremen engagieren, eine gerechte Gesellschaft vor. Zusammen mit mehr als 30 jungen Leuten aus der Hansestadt bemalen sie Türen unter dem Motto «Türen öffnen. Gerechtigkeit leben».
Die Aktion ist Teil einer Kampagne der Diakonie Deutschland zum Reformationsjubiläum in diesem Jahr. Mit dem Thesenanschlag an die Schlosskirche in Wittenberg hat Reformator Martin Luther (1483-1546) vor fast 500 Jahren nicht nur eine Tür mit einer Botschaft versehen.
«Er hat auch ein Symbol geschaffen, das die Diakonie nun aufgreift, um auf Gerechtigkeitslücken in der Gesellschaft aufmerksam zu machen», sagt Bremens Landesdiakoniepfarrer Manfred Meyer. «Wir wollen Kirche und Gesellschaft an ihre soziale Verantwortung für Schwächere erinnern.»
In einer bundesweiten Mitmach-Aktion bemalen Freiwillige, Beschäftigte, Klienten und Bewohner diakonischer Einrichtungen Türen, um auf kreative Weise deutlich werden zu lassen, wie es um die Gerechtigkeit in der Gesellschaft bestellt ist. «Gerechtigkeit ist nicht nur eine Herausforderung», sagt Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. «Sie ist auch eine leuchtende Vision für die Arbeit der Diakonie.»
Nermin Berisa etwa engagiert sich in einer kirchlichen Krippe und findet, dass Gerechtigkeit etwas mit einer ausreichenden Zahl von Plätzen zu tun hat. «Jeder, der einen braucht, sollte auch einen bekommen, besonders Alleinerziehende», sagt der 19-Jährige – eine Forderung, die in Bremen längst nicht erfüllt ist. Auch Jenny Dotschat (16) arbeitet im Vorschulbereich. Zu einer gerechten Gesellschaft gehört für sie, dass jeder gleich behandelt werden muss. «Da darf es keine Unterschiede geben.»
Armut und Reichtum, Teilhabechancen, Bildung, bezahlbarer Wohnraum, auskömmliche Jobs – das sind Gerechtigkeitsthemen, die laut Landesdiakoniepfarrer Meyer bereits auf Türblättern auftauchen. «Wir wollen aber auch zeigen, wo durch die Arbeit diakonischer Einrichtungen Teilhabe ermöglicht wird», sagt der leitende Theologe und nennt ein Beispiel aus der Schuldnerberatung: «Sie ist wichtig, um Türen zurück ins gesellschaftliche Leben zu öffnen.»
Bisher sind nach Angaben von Kampagnen-Organisator Ingolf Hübner bundesweit 120 Türen bemalt worden. 60 werden gebraucht, um daraus für die Weltausstellung der Reformation ab Mai in der Lutherstadt Wittenberg ein dreistöckiges «Türhaus» zu bauen, das der Düsseldorfer Architekt Martin Ritz-Rahman entworfen hat. Anfang März will eine Jury unter Beteiligung von Reformationsbotschafterin Margot Käßmann und Diakonie-Präsident Lilie die Türen auswählen, die dabei verwandt werden sollen.
Aber zunächst einmal soll es regionale Ausstellungen geben, in denen die bereits entstandenen Türen vorgestellt werden. Eine davon ist am Sonntag in Bremen eröffnet worden und läuft bis Ende Februar.
Wer will, kann sich überdies selbst beteiligen und im Internet seine ganz persönliche «Tür der Gerechtigkeit» gestalten. Schließlich sei auch jeder aufgerufen, sich für eine gerechte Gesellschaft zu engagieren, bekräftigt Diakoniepfarrer Meyer: «Beispielsweise beim Kauf fair gehandelter Produkte, im Kampf für gerechte Löhne und gegen Vorurteile.»
Source: Kirche-Oldenburg