Hannover/Hamburg (epd). Finanzielle Gründe, kirchliche Moralvorstellungen und sexueller Missbrauch sind laut einer Umfrage wesentliche Gründe für Kirchenaustritte. Wie aus einer Online-Erhebung des Norddeutschen Rundfunks (NDR) hervorgeht, gaben jeweils 52 Prozent der ausgetretenen Befragten an, die Erhebung von Kirchensteuern sowie von der Kirche abweichende Moral- und Gesellschaftsvorstellungen seien entscheidende Motive gewesen, die Kirche zu verlassen. Missbrauchsfälle in der Kirche und den Umgang damit nannten 38 Prozent.

 

Die Umfrage wurde am Dienstag vom NDR veröffentlicht. Sie ist nach Angaben des Senders nicht repräsentativ, aber entsprechend der Bevölkerungszusammensetzung gewichtet. An dem Online-Panel beteiligten sich 12.845 Personen. Das Durchschnittsalter beim Kirchenaustritt lag bei 26,5 Jahren.

 

Den Angaben zufolge gehören 45 Prozent der Befragten einer christlichen Kirche an: 35 Prozent der evangelischen und zehn Prozent der katholischen. 28 Prozent der Kirchenmitglieder denken nach der Umfrage über einen Austritt nach. Als wichtigste Gründe dafür wurden ein intransparenter Umgang mit Missbrauchsfällen (66 Prozent), Kirchensteuern (58 Prozent) und ein «fraglicher Umgang mit Kirchengeldern durch einzelne kirchliche Amtsträger» (58 Prozent) genannt. 34 Prozent äußerten, dass sie kirchliche Angebote nicht nutzen.

 

Zehn Prozent der aus der Kirche ausgetretenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, sie könnten sich einen Wiedereintritt vorstellen. Nur sechs Prozent der Befragten stimmten dabei der Aussage zu, dass ein Festhalten an «konservativen Werten und Traditionen» eine entsprechende Entscheidung begünstigen würde. Stärkere Beweggründe, wieder Kirchenmitglied zu werden, sind aus Sicht der Befragten «mehr Toleranz gegenüber verschiedenen Lebensentwürfen» (19 Prozent), mehr Transparenz bei den Kirchenfinanzen (21 Prozent) und «wenn Kirche sich aus der Politik heraushalten würde» (20 Prozent).

 

Zugleich stimmen laut NDR-Umfrage 65 Prozent der Befragten der Aussage «voll und ganz» oder zumindest «eher» zu, dass sich Kirche stärker gesellschaftspolitisch positionieren sollte. 78 Prozent wünschen sich von der Kirche mehr Offenheit für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, 80 Prozent mehr Unterstützung für Bedürftige, 82 Prozent mehr Veranstaltungen für die gesamte Gesellschaft und 88 Prozent mehr Angebote für jüngere Menschen. Eine «stärkere Konzentration auf den traditionellen Kern» forderten hingegen nur 36 Prozent.

 

Unter den befragten Kirchenmitglieder zeigten sich 39 Prozent «voll und ganz zufrieden» oder «eher zufrieden» mit der Institution. Vor allem die Unterstützung bedürftiger Menschen (65 Prozent), die Bewahrung christlicher Werte (63 Prozent) und das Festhalten an kirchlichen Ritualen (51 Prozent) wurden als Gründe dafür genannt.

 

59 Prozent der Umfrage-Teilnehmenden forderten, dass sich die Kirchen ohne verpflichtende Beiträge wie Kirchensteuern finanzieren sollten. 26 Prozent lehnten dies ab, 14 Prozent machten dazu keine Angaben. Zwei Drittel der Befragten gaben an, Kirche solle sich aus eigenem Vermögen und Besitz oder durch Spenden finanzieren.

 

Kirche-Oldenburg
Umfrage: Geld, Moral und Missbrauch wesentlich für Kirchenaustritte