Hoher Arbeitsdruck von Ärzten und Pflegekräften in Kinderkliniken gefährdet einer Umfrage von NDR und Hartmannbund zufolge die jungen Patienten. Klinikleitungen fordern eine Strukturreform, die die Bedürfnisse von Kindern in den Mittelpunkt rückt.

Hannover/Göttingen (epd). Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachkräfte in Kinderkliniken sehen sich einer sehr hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt. Eine Folge seien negative Auswirkungen auf die Kinderbehandlung, wie der Norddeutsche Rundfunk (NDR) und der Hartmannbund in Berlin am Donnerstag unter Berufung auf Ergebnisse einer gemeinsam durchgeführten, nicht-repräsentativen Umfrage mitteilten. 40 Prozent der 630 Befragten, darunter aus der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universitätsmedizin Göttingen, gaben demnach an, dass es aufgrund der Arbeitsbelastung schon einmal zu einer Patientengefährdung gekommen sei. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Befragten in einer kleinen, einer mittelgroßen Klinik oder einer Universitätsklinik arbeiten, hieß es.

Jeder dritte Befragte (34 Prozent) arbeitet laut der Umfrage mehrmals pro Woche über seine persönliche Belastungsgrenze hinaus. Weitere 41 Prozent tun dies mehrmals im Monat. 45 Prozent der Befragten springen mehrmals im Monat für erkrankte Kolleginnen und Kollegen ein.

Fast zwei Drittel sagten, ihre persönlichen Arbeitsbedingungen hätten sich in den vergangenen fünf Jahren verschlechtert. Viele schrieben, dass es an Personal sowohl im pflegerischen als auch im ärztlichen Bereich fehle. Kinder könnten nicht zeitgerecht und nicht gründlich genug behandelt werden. Auch komme es immer wieder zu einer Fehl- oder Überdosierung von Medikamenten.

Das vom NDR produzierte ARD-Politikmagazin «Panorama» sprach mit sechs Leiterinnen und Leitern der größten Kinderkliniken aus Hannover, Göttingen, Berlin, Essen, Leipzig und München. Sie bestätigten, dass ihre Mitarbeitenden ausbrennen. Nicht nur Pflegekräfte, auch Ärztinnen und Ärzte verließen demnach zunehmend die Kindermedizin, hieß es.

Professorin Gesine Hansen von der Medizinischen Hochschule Hannover sagte in dem TV-Beitrag: «Im Gesundheitssystem stehen die Kinder tatsächlich eher in den letzten Rängen, weil Kindermedizin nicht wirtschaftlich ist und die Ökonomie in dem aktuellen Gesundheitssystem einfach eine sehr große Rolle spielt.» Die Leitungskräfte forderten eine grundlegende Strukturreform, die die Bedürfnisse von Kindern in den Mittelpunkt rückt und honoriert, hieß es.

Hartmannbund-Vorstandsmitglied Theodor Uden, Kinder- und Jugendarzt an der Medizinischen Hochschule in Hannover, sagte laut Mitteilung: «Wenn man möchte, dass Ärztinnen und Ärzte und Pflegepersonal sich konzentriert um die Patientinnen und Patienten kümmern können, muss der ökonomische Druck aus dem System.» Dazu brauche es eine, zumindest teilweise, fallzahlunabhängige Vorhaltevergütung, die auch die Personalkosten enthalte. Zudem brauche es eine Komponente, die unterschiedliche Komplexitätsgrade der Patienten abbilde.

Teil der Problemlösung sei auch eine bessere Lenkung der Patientenwege, um stationäre Kapazitäten effizient einsetzen zu können, sagte Uden. Er mahnte außerdem eine sinnvolle Digitalisierung der Dokumentations- und Behandlungsprozesse an, die dem ärztlichen und pflegerischen Personal Zeit für ihre eigentliche Aufgabe schaffe.

Als völlig inakzeptabel bezeichnete Uden die seiner Ansicht nach derzeit nicht ausreichend gesicherte Investitionskostenfinanzierung der Kliniken. Hierdurch seien die Kliniken immer wieder zu Querfinanzierungen auch zulasten des Personals gezwungen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bestätigte gegenüber «Panorama», dass die Kindermedizin chronisch unterfinanziert sei. Im Rahmen der Krankenhausreform solle die Kindermedizin zukünftig Sonderzuschläge erhalten, sagte er.
 

Kirche-Oldenburg
Umfrage: Kinderkliniken behandeln Patienten nicht gründlich genug