Göttingen/Hannover (epd). Trotz der rechtlichen Möglichkeit haben bislang nur wenige intersexuelle Menschen ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister auf «divers» ändern lassen. Das ergab eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den zuständigen Behörden deutscher Großstädte. Auch wählten wenige Eltern direkt nach der Geburt ihres Kindes den Geschlechtseintrag «divers». Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beklagt eine anhaltende Diskriminierung von intergeschlechtlichen und geschlechtsdiversen Menschen in privaten wie beruflichen Lebensbereichen.

Der Bundestag hatte am 14. Dezember 2018 beschlossen, dass es im Geburtenregister neben dem männlichen und weiblichen Geschlecht auch eine dritte Option sowie die Möglichkeit der Streichung des Eintrags geben soll. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 22. Dezember 2018 haben Personen gegen Vorlage eines Attests, das eine «Variante der Geschlechtsentwicklung» bestätigt, die Möglichkeit, den Eintrag zu wechseln. Bis dahin gab es lediglich die Möglichkeit, dass Standesbeamte die Geburt ohne eine Geschlechtsangabe eintragen – das hatte aber das Bundesverfassungsgerichts als diskriminierend verboten.

In niedersächsischen Großstädten haben davon aber bisher kaum Menschen Gebrauch gemacht. In Göttingen waren es insgesamt vier, die den Eintrag auf «divers» ändern ließen. In Braunschweig waren es drei Personen, in Osnabrück nur eine. Die Landeshauptstadt Hannover zählte 2019 und 2020 insgesamt 34 Änderungen des Geschlechtseintrages, sie erfasst aber nicht, ob am Ende männlich, weiblich oder divers im Register steht. In keiner der vier Städte haben Eltern schon bei der Geburt eines Kindes «divers» eintragen lassen.

Bundesweiter Spitzenreiter ist Berlin, wo 2019 insgesamt 14 Personen im Personenstandsregister ihren Geschlechtereintrag auf «divers» ändern ließen. 2020 waren es bis Ende September sechs Personen. Nur ein Elternpaar wählte bei der Geburt seines Kindes 2019 den Geschlechtseintrag «divers».

Besonders sticht die mit rund 315.00 Einwohnern vergleichsweise kleine Stadt Münster heraus, wo 2019 fünf Menschen ihre Geschlechtsangaben in «divers» änderten. 2020 gab es bisher 16 Änderungen.

In Hamburg ließen 2019 neun Personen ihren Geschlechtseintrag von männlich oder weiblich in «divers» ändern lassen. 2020 waren es bisher sechs.

In München gab es acht entsprechende Änderungen 2019 sowie sechs Änderungen im Jahr 2020. Je einmal in den beiden Jahren entschieden sich Eltern dort für die dritte Option bei ihrem Neugeborenen.

Die Stadt Düsseldorf verzeichnete zwei Änderungen zum Geschlechtseintrag «divers», je einen im Jahr 2019 und 2020. In Köln wurden lediglich zwei Geschlechtseinträge entsprechend geändert, beide im Jahr 2020.

Das Standesamt in Frankfurt am Main trug vier Änderungen des Geschlechtseintrags in «divers» im Jahr 2019 in das Geburtenregister ein, im Jahr 2020 bis jetzt keine. Stuttgart verzeichnete 2019 einen einzigen Antrag auf «divers», 2020 bisher zwei. In Dresden machten bislang zwei Personen von der dritten Option Gebrauch. Beide Fälle wurden 2019 registriert.

Für den «Bundesverband Trans*» sind die Ergebnisse nicht überraschend. «Nicht alle, die sich als ‘divers’ verorten, wollen auch den Eintrag», sagte Gabriel_Nox Koenig, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. Für den Geschlechtseintrag «divers» müsse ein ärztliches Attest vorliegen. «Viele intergeschlechtliche Personen empfinden dies als Zumutung.»

Der Bundesverband Intersexuelle Menschen ergänzte, einige Personen hätten Angst vor Diskriminierung im privaten und beruflichen Bereich, wenn sie den Eintrag in «divers» ändern ließen. Dies spiegelt sich auch in der Beratungspraxis der Antidiskriminierungsstelle des Bundes wider: Seit Ende 2018 habe es 120 Anfragen von Menschen gegeben, die als Grund ihrer Benachteiligung «inter*» angegeben haben. Davon entfielen 29 auf den Bereich Arbeitsmarkt.

Kirche-Oldenburg
Umfrage: Nur wenige Geschlechtseinträge «divers» – Antidiskriminierungsstelle: Intersexuelle werden benachteiligt