Oldenburg/Delmenhorst (epd). Insgesamt acht ehemalige Vorgesetzte des Patientenmörders Niels Högel müssen sich ab dem 17. Februar vor dem Oldenburger Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, möglicherweise von dessen Tötungen gewusst, aber nichts dagegen unternommen zu haben. Angeklagt sind je vier Vorgesetzte aus den Kliniken in Oldenburg und Delmenhorst. Zur Verhandlung stehen drei Tötungsdelikte in Oldenburg und fünf in Delmenhorst. Bisher sind 42 Verhandlungstage bis in den November hinein geplant (Az.: 5 Ks 20/16).

 

Der Ex-Krankenpfleger Högel war am 6. Juni 2019 vom Oldenburger Landgericht wegen insgesamt 85 Morden im Klinikum Oldenburg und dem Krankenhaus Delmenhorst zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden. Außerdem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt (Az.: 5 Ks 1/18). Richter Sebastian Bührmann sprach damals von «unfassbaren» Taten. Schon zuvor war Högel in mehreren Prozessen verurteilt worden. Insgesamt wurden ihm 91 Tötungen nachgewiesen. Wie viele weitere Menschen er tatsächlich auf dem Gewissen hat, bleibt verborgen. Viele seiner mutmaßlichen Opfer wurden nach ihrem Tod im Krankenhaus eingeäschert.

 

Die vier Vorgesetzen aus dem Krankenhaus Delmenhorst – zwei Oberärzte, der Stationsleiter Pflege der Intensivstation und seine Stellvertreterin – sind wegen Tötung durch Unterlassen angeklagt, erläutert ein Sprecher des Gerichts. Den Oldenburger Vorgesetzten wird lediglich Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen vorgeworfen. Hier müssen sich der damalige Geschäftsführer, der frühere ärztliche Leiter der kardiochirurgischen Intensivstation, der Leiter des Bereichs Pflege der kardiochirurgischen Intensivstation und die frühere Pflegedirektorin des Klinikums verantworten.

 

Wie in jedem Prozess gilt auch für Högels Chefs die Unschuldsvermutung. Darum müssen alle zur Verhandlung zugelassenen Todesfälle zunächst erneut als Morde bewiesen und die Verantwortung der Angeklagten nachgewiesen werden. Und das, obwohl Högel dafür bereits rechtskräftig als Mörder verurteilt wurde. Ein Rechtsmediziner soll als Gutachter darlegen, warum die Menschen gestorben sind. Außerdem kommt Högel eine wesentliche Rolle als Zeuge zu. Doch weil er schon oft gelogen hat, wird ein Glaubwürdigkeitsgutachter seine Äußerungen prüfen.

 

In dem Verfahren geht es um die persönliche Verantwortung der Angeklagten, erläuterte der Sprecher des Gerichts, Torben Tölle. Wann hat wer was gewusst? Wann haben die Vermutungen einen derartigen Grad an Gewissheit erlangt, dass ein Einschreiten zwingend gewesen wäre?

 

Högel hatte nach Überzeugung des Gerichts seine Patienten mit Medikamenten vergiftet, die zum Herzstillstand führten, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen. Im Mordprozess war deutlich geworden, dass die Vorgesetzten in Oldenburg nach einem Verdacht dem Pfleger die Kündigung nahegelegt hatten. Mit einem guten Zeugnis bewarb sich Högel dann erfolgreich in Delmenhorst, wo er weiter mordete.

 

Aufgrund des bundesweiten Interesses wird die Verhandlung – wie schon der Mordprozess gegen Högel – in der Oldenburger Weser-Ems-Halle geführt. Die acht Angeklagten lassen sich von zusammen 20 Rechtsanwälten vertreten. Außerdem gibt es einen Nebenkläger.

Kirche-Oldenburg
Vorgesetzte des Patientenmörders Högel müssen sich verantworten – Täter soll vor Gericht gegen seine früheren Chefs als Zeuge aussagen