Die Wirksamkeit höherer Strafandrohungen für Kindesmissbrauch ist umstritten. Einig sind sich jedoch alle: Es muss mehr für den Schutz getan werden. Die Beratungsorganisation Zartbitter fordert mehr ortsnahe Anlaufstellen in Verdachtsfällen.

Hannover/Köln (epd). Die Schutzorganisation für Kriminalitätsopfer «Weißer Ring» fordert von der Politik, sich nach dem Missbrauchsskandal von Münster noch stärker für den Schutz von Kindern zu engagieren. «Eine präventive Wirkung geht von höheren Strafandrohungen meist nicht aus», sagte der Bundesvorsitzende des «Weißen Rings», Jörg Ziercke, dem «RedaktionsNetzwerk Deutschland» (Samstag). «Deshalb muss die Politik der Prävention von Kindesmissbrauch eine viel höhere Aufmerksamkeit widmen», ergänzte der frühere Chef des Bundeskriminalamts (BKA).

Notwendig wäre eine personelle Verstärkung von Justiz und Polizei auf Landesebene. «Die Politik müsste in jedem Bundesland eine Landeszentralstelle Kindeswohl einrichten», regte Ziercke an. «Dort sollte psychologisch geschultes Personal Informationen über Kindesgefährdungen entgegennehmen und ein Team von Mitarbeitern der Gesundheitsämter, von Kinderärzten, Therapieexperten, Staatsanwälten und Kriminalbeamten diese Informationen bewerten.»

Die Fach- und Beratungsstelle Zartbitter erhofft sich von einer Strafrechtsverschärfung insgesamt dennoch eine starke Wirkung. Zur Absicht der Bundesregierung, die Verbreitung von kinderpornografischem Material in Zukunft strafrechtlich schärfer zu ahnden, sagte die Geschäftsführerin der Beratungsstelle in Köln, Ursula Enders, dem Evangelischen Pressedienst (epd): Sie sei «absolut erleichtert», dass diese Form der sexuellen Gewalt nicht länger nur als Vergehen, sondern als Verbrechen bewertet werden soll. «Diese Reform wird eine starke präventive Wirkung entfalten», zeigte sich Enders überzeugt. Insbesondere die Verbreitung kinderpornografischen Materials unter Schülern kann ihrer Einschätzung nach eingedämmt werden, aber auch erwachsene Täter würden bei einer Strafrechtsverschärfung deutliche Konsequenzen spüren.

Enders forderte, das Angebot niedrigschwelliger Fach- und Beratungsstellen in Deutschland deutlich auszubauen. Menschen, die auch nur die Vermutung missbräuchlichen Verhaltens hätten, bräuchten eine ortsnahe Anlaufstelle. An sie könnten sich besorgte Personen wenden, die den Weg zur Polizei oder zum Jugendamt scheuten.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte ein genaueres Hinschauen bei Tätern mit Vorstrafen. «Die aktuellen Beispiele zeigen, dass wir bei der Frage nach Sicherungsverwahrung noch stärker die jeweilige Vorgeschichte der Täter einbeziehen müssen», sagte Reul der Düsseldorfer «Rheinischen Post» (Samstag).

Rufe nach einer Wiederzulassung der Vorratsdatenspeicherung zur Kriminalitätsbekämpfung wies die Datenschutz-Organisation Digitalcourage indes zurück. «Es bricht ganz klar Grundrechte, wenn rund um die Uhr persönliche Aktivitätsdaten von Millionen rechtstreuen Bürgern gespeichert werden», sagte Digitalcourage-Referent Friedemann Ebelt dem epd in Bielefeld. In Münster habe polizeiliche Ermittlungsarbeit zum Erfolg geführt, «nicht grundrechtswidrige Massenüberwachung», erklärte der Datenschützer. «Wer diese Verbrechen verhindern will, muss gezielt im Netz suchen und vor allem in der realen, analogen Welt», sagte Ebelt.

Source: Kirche-Oldenburg