Der Text zum Kirchenlied „Gib, dass nicht bet‘ allein der Mund“ (EG 344) stammt aus der Feder von Martin Luther (1539). Heute noch immer ein Kirchenlied im Evangelischen Gesangbuch und im Luther-Jahr ein Beispiel dafür, wie der Reformator den Glauben angesichts von Hochmut im Lande, Ablassforderungen und anderen Irrführungen neu betrachtete. Für Bischof Jan Janssen, der auf seiner Reformationstour durch das Oldenburger Land unter dem Motto „Ein Reigen von Pfingsten bis zum Reformationsfest 2017“ am Sonntagabend in der Auferstehungskirche in Bookholzberg an die Kirchentür klopfte und damit bereits die zehnte Station von 17 Besuchen insgesamt erreichte, zugleich das Lied zu seiner Predigt.

„Zum Anlass von 500 Jahren Reformation freue ich mich heute Abend hier gemeinsam mit Ihnen den Gottesdienst zu feiern“, begrüßte Bischof Jan Janssen. „Ein feste Burg, eine tragfähige Zukunft bietet unser Gott. Einen frischen Blick wollen wir heute werfen auf unseren evangelischen Glauben, um in Zuversicht nach vorne und ermutigt zu neuer Beteiligung in unsere Welt zu schauen. Dazu soll uns das helfen, was Martin Luther für die Kirche neu entdeckt hat im neuen Nachdenken über den Glauben, beim Bibelübersetzen oder in seinen Worten und Liedern.“ Orts-Pfarrer Hannes Koch zeigte sich zuvor vor vollen Bankreihen der Auferstehungskirche über den besonderen Sonntagabendgottesdienst im Luther-Jahr erfreut: „Unser Bischof macht uns heute die Freude seines Besuches. Wir dürfen gespannt sein.“

Doch die Worte waren knapp gewählt, ging es doch um die Predigt zum genannten Kirchenlied nach der Lied-Einstimmung durch „Ein feste Burg ist unser Gott“ (1529) mit Text und Melodie Martin Luthers zum Predigttext. Lektor Andy Hertel trug dazu den Predigttext (Lukas 18,9-14), gemeinsam mit der Gemeinde gebetet, eingangs vor. Beschrieben werden zwei Menschen, die hinauf in den Tempel gehen. Der Pharisäer bot sich als Gläubiger mit guten Ansätzen und seinem festen Glauben dar. Der andere, ein Zöllner schlug sich vor die Brust und rief: Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Gesungen wurde im Anschluss das Liedmotto „Gib, dass nicht bet‘ allein der Mund“, quasi das gesungene Vaterunser, versehen mit dem Gedankengut Luthers. Gesungen wird es nach einer Melodie des Tischsegens des Mönch von Salzburg vor 1396.

„Einer der schönsten Aussprüche zu dem, was wir in diesem Gottesdienst tun, lautet: Wer singt, betet doppelt. Marin Luther übernahm dieses Aha-Erlebnis wohl von Augustin“, begann Bischof Janssen seine Ausführungen und weiter: „Heute beten wir das Vaterunser gewissermaßen doppelt – eben gesungen – in dieser Form, die Luther 1539 neu akzentuierte und mit deutenden Erweiterungen versehen hat – nachher noch einmal gemeinsam gesprochen mit den vielen, verschiedenen Stimmen unserer Gemeinde.“

Zum Gottesdienst mitgebracht hatte Bischof Janssen eine Kopie einer Handskizze, die Luthers Handschrift mit Aufzeichnungen zu den einzelnen Passagen seines Liedtextes nachweist. So finden sich zu den neun Strophen alle Punkte des Vaterunsers, erweitert um die in Text gefassten Gedanken Luthers. Besonders auffällig seien die vielen gestrichenen und korrigierten Passagen zur „Vergebung unserer Schuld“, erklärte Janssen. Für Luther sei diese Passage die Befreiung aus einer großen Betrübnis. Erst habe er noch von sehr vielen Sünden ohne Zahl und Maß und vom Gericht geschrieben, dann ersetzte er diese durch Positives als Konsequenz und als Alternative, nämlich die Bereitschaft, Gott und einander zu dienen, wie es dem Gebot der Liebe und der Einigkeit entspricht. Das Vergeben, auch jenen, die Fehler machen versteht er als Wohltat. „So wie Gott das mit uns tut“, so Bischof Janssen mit Hinweis auf die sechste Strophe (EG 344,6).

Letztendlich sprach sich Luther mit seinen Gedanken für ein schlichtes Beten, einfaches Sprechen ohne besondere Geste aus. „Vielmehr geht es darum ernsthaft zu beten, sich Gott anzuvertrauen und Miteinander zu arbeiten“, so Bischof Janssen. Ganz so, wie es der Zöllner mit nur wenigen, aber klaren Worten im Tempel tat. Passend dazu fällt der Wochenspruch aus. „Gott widerstrebt den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ Bischof Janssen: „Lassen wir es zu Herzen gehen und von Herzen kommen. Amen!“
Peter Kratzmann
Source: Kirche-Oldenburg