Bremen (epd). Kirche und Diakonie in Bremen haben anlässlich des internationalen «Tages der Pflege» am Freitag eine grundlegende Pflegereform gefordert. So würden Kostensteigerungen derzeit komplett auf die zu Pflegenden abgewälzt, kritisierte Bremens Landesdiakoniepastorin Karin Altenfelder. Bremens leitender evangelischer Theologe Bernd Kuschnerus warnte unter anderem vor «Preiswucher» in der von Personaldienstleistern vermittelten Leiharbeit von Pflegekräften. «Das muss unterbunden werden», forderte der Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche.

 

Um die Kostenbelastung pflegebedürftiger Menschen zu verringern, sei eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung nötig, erklärte die kirchliche Sozialexpertin Altenfelder. Dass Kostensteigerungen derzeit komplett auf die zu Pflegenden abgewälzt würden, habe schon jetzt Folgen: «Pflege kann sich nicht mehr jede und jeder leisten. Viele sind auf sich alleingestellt.»

 

Altenfelder befürchtet, dass es deshalb verstärkt zu Hilflosigkeit, Einsamkeit und auch zur Verwahrlosung pflegebedürftiger Menschen kommt. Sie plädiert daher für eine bezahlbare, individuelle Pflege im Quartier. «Wir müssen viel mehr die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen in den Blick nehmen als Kostenpauschalen.»

 

Die Missstände und die Herausforderungen in der Pflege seien allen bekannt, mahnte die Landesdiakoniepastorin. «Aber trotzdem ist in den vergangenen Jahren zu wenig passiert. Im Gegenteil: Wir sind in Deutschland sehenden Auges ins offene Messer gerannt. Es ist wirklich fünf nach zwölf.» Fach- und Arbeitskräftemangel gehöre zu den bedeutendsten Problemen im Pflegesektor. Deshalb sei unter anderem eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig.

 

Altenfelder kritisiert genauso wie Kuschnerus die Leiharbeit in der Pflege. Sie müsse schnellstmöglich reguliert werden. So könnten Mitarbeitende von Zeitarbeitsfirmen sich ihre Arbeitszeiten quasi aussuchen, die unbeliebten Dienste am Wochenende und in der Nacht blieben dann für die festangestellten Personen übrig. Kuschnerus warnte, Preiswucher durch Personaldienstleister mache die Pflegekräfte zur Ware: «So gehen gute Pflegeeinrichtungen kaputt.»

 

«Wir brauchen nach den Bedürfnissen der Bewohner gestaltete Pflegeeinrichtungen, in denen sie sich wohlfühlen. Entscheidend hierfür ist Zeit für Zuwendung», bekräftigte der Theologe. Er forderte überdies mehr Anerkennung für die Pflege von Angehörigen. Sie seien «der größte Pflegedienst in Deutschland». Die Arbeit in der Familie dürfe nicht als Pflege zweiter Klasse behandelt und mit weniger Geld ausgestattet werden.

 

«Und wir brauchen digitale Lösungen. Die elektronische Patientenakte wird die Pflegekräfte entlasten, aber vor allem den Angehörigen helfen, die zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Pflegeheimen hin- und herrennen, total aus der Puste, wie in einem Hamsterrad.» Kuschnerus mahnte, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft müssten gemeinsam an einer besseren Zukunft der Pflege arbeiten, «anstatt nur Löcher zu stopfen».

 

Unterdessen berichtete die Techniker-Krankenkasse von steigenden Fehlzeiten der Pflegekräfte in Bremen und Bremerhaven, ausgelöst auch durch die wachsende Belastung im Job. Vergangenes Jahr hätten sie nach einer Auswertung eigener Versichertendaten durchschnittlich 30,2 Tage krankheitsbedingt gefehlt, 2021 habe der Wert bei 22,1 Fehltagen gelegen. Damit liege Bremen 4,8 Prozent über dem Bundesdurchschnitt von 28,8 Tagen.

Kirche-Oldenburg
«Wie in einem Hamsterrad» – Kirche und Diakonie fordern grundlegende Pflegereform