Wie man sich ernährt, hat soziale und ökologische Folgen mit globalen Dimensionen: Welche Lebensmittel angebaut und konsumiert werden, wirkt sich auf Umwelt und Klima, auf das Einkommen und die Existenz von Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt aus. Doch welche Alternativen gibt es, wenn zum Beispiel eine Kindertagesstätte auf nachhaltige Verpflegung umgestellt werden soll?
„Wo ist die Wurst, das haben die Kinder anfangs noch gefragt“, erinnert sich Melanie Gerullis. Die stellvertretende Leiterin der Evangelischen Kindertagesstätte Sande (Kirchenkreis Friesland – Wilhelmshaven) begleitet seit 2012 den Umstieg auf ökofaire und nachhaltige Produkte. „Die Kosten für die Eltern sind nicht gestiegen, doch es gibt jetzt weniger Fleisch“, erklärt Heike Block, Köchin der Kindertagesstätte. „Wo kaufen wir jetzt ein? Das war anfangs unsere dringendste Frage“, sagt Block.
Heute stammen rund 80 Prozent der Lebensmittel aus ökologischem, saisonalem und regionalem Anbau – etwa von einem Öko-Großhändler, vom Wochenmarkt sowie vom Bäcker und Schlachter vor Ort. „Aber nicht nur das Essen hat sich geändert, auch wie es aussieht“, erzählt Gerullis. „Der Grießbrei war auf einmal nicht mehr schneeweiß, daran mussten sich die Kinder erst gewöhnen.“ Doch längst seien die Kinder, aber auch die Eltern von der Umstellung überzeugt.
Von diesen und weiteren Erfahrungen berichteten Gerullis und Block bei der Veranstaltung „Nachhaltige Beschaffung von Lebensmitteln und Catering-Dienstleistungen“ am 9. März im Internationalen Jugendprojektehaus Oldenburg. Eingeladen hatten der Verband Entwicklungspolitik Niedersachsen e. V., das Ökumenische Zentrum Oldenburg und die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. In Vorträgen und Arbeitsgruppen erhielten die Teilnehmenden Impulse für eine nachhaltige Beschaffung speziell für den Raum Oldenburg und Nord-West-Niedersachsen.
„Mit der Veranstaltung richten wir uns an alle kommunalen und kirchlichen Einrichtungen, zum Beispiel Kindergärten, Schulen, Kulturzentren und Krankenhäuser, Caterer und Verpflegungsdienstleister“, erklärt Helena Inkermann. „Es ist wichtig, dass nachhaltige Entwicklungsziele auf kommunaler Ebene Beachtung finden, und dass nicht nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingekauft wird", so die Leiterin des Projektes „Zukunft einkaufen" bei der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Von Bedeutung sei auch, danach zu schauen, wie die Lebensmittel entstanden sind und welche Ressourcen genutzt wurden.
„Wir wollen konkrete Hilfestellung geben, wenn Einrichtungen erst einmal nicht wissen, wie sie bewusster einkaufen können“, so Expertin Inkermann. „Denn immer öfter gibt es den Wunsch dazu – und es gibt Beispiele, wo schon jahrelang nach diesen Kriterien verfahren wird. Viele Einrichtungen müssen auf ihre Finanzen achten, aber es gibt Möglichkeiten, trotzdem ressourcenschonend und global nachhaltig zu wirtschaften, zum Beispiel durch Einkaufsallianzen oder indem bestimmte Prioritäten gesetzt werden.“
Was bei einer Umstellung auf die nachhaltige Beschaffung von Lebensmitteln alles zu bedenken ist, erklärte der Bio-Projektentwickler und Bio-Gärtner Eduard Hüsers. So müssten Einrichtungen etwa entscheiden, ob sie direkt bei Landwirten in der Nähe oder auf dem Wochenmarkt einkaufen oder sich lieber von einem Bio-Großhändler beliefern lassen wollen. Der Einkauf in der Region schone letztlich nicht nur Ressourcen, sondern schaffe auch Arbeitsplätze und erhalte die Kulturlandschaft im Norden. „Zudem sind die hiesigen Produkte frisch und aromatisch, weil die Landwirte hier reifes Obst und Gemüse ernten können und keine langen Transportwege einplanen müssen“, betont Hüsers.
Angestoßen wurde der Info-Tag durch die Projekte „Niedersachsen kauft fair“ und „Zukunft einkaufen". Letzteres unterstützt kirchliche Einrichtungen bei der Umsetzung einer Beschaffung nach ökologischen und sozialen Kriterien. Hintergrund der Tagung waren auch die im September 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten globalen Nachhaltigkeitsziele. Kommunen vor Ort können durch eine nachhaltige Beschaffungspraxis einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele leisten. In Niedersachsen sind mit der Verabschiedung des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes Ende 2013 erstmalig soziale und ökologische Anforderungen für den Einkauf von öffentlichen Einrichtungen festgelegt worden.
„Es war uns wichtig, auch globale und entwicklungspolitische Aspekte mit in die lokale Debatte zu bringen“, sagt Ilka Wäsche vom mitveranstaltenden Ökumenischen Zentrum Oldenburg. So war unter den Vortragenden auch Veruska Prado von der Federal University of Goiás in Brasilien, die über die Umstellung des dortigen Schulessens sprach. In verschiedenen Arbeitsgruppen konnten sich die mehr als 70 Teilnehmenden nach den Vorträgen auch näher über eine nachhaltige Beschaffung in der Praxis informieren.
Ein Beitrag von Antje Wilken.
Source: Kirche-Oldenburg