Das bundesweite Thema „Sterben in Würde“ steht in Delmenhorst eine Woche lang im Fokus der Öffentlichkeit. Die Woche für das Leben findet im Jahr 2015 vom 18. bis zum 25. April statt; in Delmenhorst einen Tag länger: bis zum 26.04.

Auch das Thema erweiterten die Organisatoren: „Alle Sterben in Würde – auch bei uns?!“ „Es ist überfällig, dass öffentlich informiert und das Thema diskutiert wird“, sagt Dr. Enno Konukiewitz, Pfarrer der Heilig-Geist-Kirche Delmenhorst. Gemeinsam organisierten er, Hubert von der Heide, Pfarrer der katholischen Gemeinde St. Marien, sowie Ursela Roßmeyer vom Hospizdienst Delmenhorst, Pastorin Sabine Spieker-Lauhöfer und Dr. Ales Stanek, Mediziner der Palliativstation und Landesvertreter der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin in Bremen und Niedersachsen, in dieser Woche Veranstaltungen, Filmabende, Gesprächsrunden und Gottesdienste.

„Die Woche für das Leben gibt es seit gut 20 Jahren“, erklärt Hubert von der Heide. Nach einigen Jahren Pause beteilige sich Delmenhorst in diesem Jahr wieder daran. Als Veranstalter arbeitet die Kath. Gemeinde St. Marien Delmenhorst in Kooperation mit dem Ev.-luth. Kirchenverband Delmenhorst. Die Ökumene und der Zusammenhalt aller Kirchen nehmen in der Stadt Delmenhorst schon lange einen großen Stellenwert ein.

Informative Podiumsdiskussion kam bei Zuhörerinnen und Zuhörern gut an
Großes Interesse fand Montagabend, 20. April, in der Delmenhorster Markthalle die Podiumsdiskussion „Sterben in Würde – auch bei uns!“ bei Angehörigen sowie Ehrenamtlichen und Mitarbeitenden von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Hospiz.

Auf dem Podium diskutierten Oberbürgermeister Axel Jahnz, Dr. Ales Stanek, Dietgard Demetriades (Krankenhausseelsorgerin aus Oldenburg), Linda Bahr (Hospizkreis Ganderkesee), Carola Papstein (Intensivmedizinerin) und Hanneli Kuznik (Betroffene). Die Podiumsdiskussion wurde moderiert von Hans-Heinrich Obuch.

Der „optimistische Glanz“ über der Veranstaltung, erhofft von Moderator Hans-Heinrich Obuch, erfüllte sich. Durchweg positiv wurden Erfahrungen und Erläuterungen vermittelt. Am Ende der Diskussion zeigte sich, dass würdevolles Sterben in Delmenhorst möglich ist.

Hanneli Kuznik schilderte ihre Betroffenheit als Ehefrau, die vor etwa drei Jahren ihren Mann beim Sterben begleitet hatte. Dabei wurde sie von Ärzten und Pflegepersonal der Palliativstation unterstützt, sie erfuhr Abgeschiedenheit und Stille beim Abschied nehmen.

Ein Vorzeigeobjekt: Auf der Spezialstation des Delmenhorster Krankenhauses stehen etwa 20 Therapeuten sieben Patienten zur Verfügung. Ales Stanek sieht in diesem Projekt Modellcharakter.

Pastorin Dietgard Demetriades berichtete von der Palliativstation für 15 Patienten im Ev. Krankenhaus in Oldenburg sowie vom Ethik-Komitee des Pius Hospitals Oldenburg, dessen Mitwirkende auf Wunsch beraten und unterstützen und häufig zu brisanten Situationen gerufen würden.

Einig war sich die Runde, dass es immer gut sei, wenn Patienten zu Hause im Kreis der Angehörigen sterben könnten. Da dies vielfach nicht möglich sei, sei es gut, dass es eine sehr gute Unterstützung in den Krankenhäusern gebe.

Diskutiert wurde weiterhin über die Begleitung durch Ehrenamtliche des ambulanten Hospizes, die geschult seien, auf die Wünsche und Bedürfnisse von sterbenden Menschen einzugehen. Für Betroffene, die wüssten, dass sie in naher Zukunft sterben werden, sei es wichtig zu wissen, nicht alleine zu sein.

Problematisch sei aber besonders die Begleitung in Pflegeeinrichtungen. Auch wenn die Pflegenden sich sehr um Sterbende kümmerten, sei die Zeit zur Begleitung aus Personalmangel oft nicht gegeben.

Jeder Mensch habe eigene Wünsche und Vorstellungen, wenn es ums Sterben geht. Vielfach würden Gedanken aber auch verdrängt. Unterschiedliche Meinungen vertraten die Teilnehmenden der Diskussionsrunde im Blick auf Patientenverfügungen. Für manche Menschen bedeute es Sicherheit und Hilfestellung für Kinder und Angehörige, andere ahnten, wie schnell sich Lebensumstände und damit verbundene Vorstellungen ändern können.

Oberbürgermeister Axel Jahnz befürwortete Patientenverfügungen, die gut überlegt und auf jeden Fall mit Kindern oder Angehörigen besprochen werden müssten. Solch eine Festlegung könnte für Ärzte und Angehörige eine Erleichterung bei Entscheidungen sein.

„Inwieweit kann eine Stadt dazu beitragen, dass würdiges Sterben eine Rolle spielt?“
Moderator Hans-Heinrich Obuch brachte mit seinen Fragen immer wieder Spannung in die Gespräche. Für die politische Seite war Oberbürgermeister Axel Jahnz ein gefragter Gesprächspartner. Im Vorfeld hatten er und Ales Stanek über mögliche Unterstützung der Stadt gesprochen. Dabei stünde nicht das Finanzielle im Vordergrund, denn Spender und Stifter seien in Delmenhorst immer großzügig, betonte der Palliativmediziner. Doch als Landesvertreter der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin in Bremen und Niedersachsen sei er daran interessiert, eine Charta zum Thema zu machen.

Die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ setzt sich für Menschen ein, die aufgrund einer fortschreitenden, lebensbegrenzenden Erkrankung mit Sterben und Tod konfrontiert sind. Die fünf Leitsätze der Charta formulieren Aufgaben, Ziele und Handlungsbedarfe, um die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland zu verbessern. Im Mittelpunkt steht dabei immer der betroffene Mensch.

Seit dem Beginn des Charta-Prozesses im Jahr 2008 und der Veröffentlichung der Charta im Jahr 2010 haben sich viele Akteure dafür eingesetzt. Ales Stanek hofft, dass die Delmenhorster Politiker die Charta unterschreiben: „Wenn Delmenhorst unterschreibt, wären wir damit die erste Stadt in Niedersachsen“, warb er. Der Oberbürgermeister erklärte seine Zustimmung, jetzt müsse er das Schriftstück noch in die Gremien bringen.   

Tod, wo ist dein Stachel?
Weitere Veranstaltungen folgen noch in dieser Woche. Die bundesweite Woche endet Samstag, 25. April, die Delmenhorster haben den Sonntag als zusätzlichen Veranstaltungstag angehängt.

Die Idee von Hildegard Charzinski, Friedhofsausschuss der katholischen Gemeinde St. Marien, wird mit Unterstützung der beiden Pfarrer Enno Konukiewitz und mit Hubert von der Heide sowie dem Schauspieler und Rezitator Johannes Mitternacht, am Sonntag, 26. April, umgesetzt. „Friedhof als Ort der Begegnung“, wie er seit zwei Jahren bereits dort am Heiligabend stattfindet, wozu Angehörige der im Jahresverlauf Verstorbenen eingeladen werden, hat diese Planung ausgelöst.

Johannes Mitternacht, bürgerlich Jens Uhlmann, hat Texte zum Tod und Leben ausgesucht, die er an neun besonderen Plätzen des Kath. Friedhofs, an der Oldenburger Landstraße 32, liest. Zum Beispiel liest er am Kinder-Gräberfeld das Märchen von der Totenhexe, geschrieben von den Gebr. Grimm. Fred Molde aus Ganderkessee, begleitet musikalisch mit Irish Folk, gespielt mit seinem Akkordeon.

Johannes Mitternacht zitiert Lucius Annaeus Seneca: „Es gibt keine schwierigere Kunst als das Leben. Für andere Künste und Wissenschaften gibt es überall zahlreiche Lehrer […]; leben aber muss man das ganze Leben hindurch lernen und, worüber du dich vielleicht noch mehr wundern wirst, man muss im ganzen Leben sterben lernen.“ Ein Satz, der auf die Diskutierenden und ihre Zuhörer in der Markthalle zutrifft.

Weitere Veranstaltungen bis Sonntag:

Donnerstag, 23.04.2015, 19.00 Uhr  
Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit

Filmabend zum Thema „Sterben in Würde“
Gemeindehaus St. Marien, Louisenstraße 30

Samstag, 25.04.2015, 17.00 Uhr
Meine Zeit steht in Deinen Händen

Ökumenischer Gottesdienst mit Weihbischoff Heinrich Timmerevers,
Kreispfarrer Bertram Althausen u.a.
St. Marien-Kirche, Louisenstraße 30

Sonntag, 26.04.2015, 16.00 Uhr
Tod, wo ist dein Stachel?
Lesung an verschiedenen Stationen des Friedhofs
Künstler: Johannes Mitternacht
Treffpunkt: Eingangstor des Kath. Friedhofs, Oldenburger Landstraße 32

Ein Beitrag von Bärbel Romey.

Source: Kirche-Oldenburg