Bremen/Hannover (epd). Angesichts der Kürzungspläne im Bundeshaushalt warnen auch in Niedersachsen und Bremen drei Wohlfahrtsverbände vor einem Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur. Viele soziale Angebote in ganz Deutschland drohten laut einer bundesweiten Umfrage vollständig wegzubrechen, da gestiegene Kosten finanziell nicht ausreichend kompensiert werden könnten, teilte der Paritätische Wohlfahrtsverband am Dienstag in Bremen mit. Auch Niedersachsens Diakonie-Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke sieht dramatische Folgen.

 

Der Umfrage zufolge mussten allein im Bundesland Bremen bereits fast 40 Prozent der befragten Organisationen und Einrichtungen Angebote und Leistungen für Klientinnen und Klienten aus finanziellen Gründen einschränken oder ganz einstellen. Der Grund sei mangelndes Personal, das durch eine fehlende Refinanzierung nicht mehr oder nicht marktüblich bezahlt werden könne. In der Beratung gebe es schon jetzt verkürzte Öffnungszeiten: «Erstmalig mussten einige Einrichtungen sogar Schließtage einführen.»

 

Die Befragten beziffern die Kostensteigerungen seit Anfang 2022 auf durchschnittlich 16 Prozent. Durch Umschichtungen, Spendenakquise und höhere Gebühren für ihre Klienten haben drei Viertel der Einrichtungen Einsparungen erzielt.

 

Man komme jetzt aber an die Grenzen des Machbaren, hieß es. 94 Prozent der sozialen Dienste gehen nicht davon aus, dass sie weitere Kostensteigerungen kompensieren können. Auch für die Zukunft befürchten rund zwei Drittel der Befragten etwa in Bremen deutliche Einschnitte. «Werden Zuwendungen gekürzt und Kassenleistungen reduziert, fallen in vielen sozialen Bereichen wichtige Angebote für Kinder, ältere oder behinderte Menschen und bedürftige Personen weg.»

 

Dazu erklärte Birgt Pfeiffer, Vorständin des Paritätischen in Bremen: «Wer in Zeiten großer Unsicherheit unseren ohnehin schon durch Pandemie, Inflation und Fachkräftemangel geplagten sozialen Organisationen die Gelder kürzt, handelt nicht nur unsozial, sondern auch unwirtschaftlich. Armut und Ungleichheit werden zunehmen, politische Konflikte befördert, und am Ende werden die Summen für die Lösung der sozialen Folgeprobleme ungleich höher sein.»

 

Diakoniesprecher Lenke äußerte sich ähnlich. Die bisher bekannten Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich seien sozialpolitisch und ökonomisch kurzsichtig. «Die gesellschaftlichen Folgen und daraus resultierenden Probleme werden am Ende die Länder und Kommunen vor Ort tragen müssen.» Er bitte das Parlament, die Kürzungen zu verhindern: «Wenn wir jetzt nicht in eine stabile soziale Infrastruktur vor Ort investieren, werden wir deutlich höhere Summen für die Lösung der sozialen Folgeprobleme aufwenden müssen.»

 

Die bundesweite Umfrage lief den Angaben zufolge online vom 29. September bis zum 10. Oktober im Paritätischen Wohlfahrtsverband, in der Arbeiterwohlfahrt (AWO) sowie in der Diakonie Deutschland. Im Land Bremen etwa haben sich demnach 44 gemeinnützige Organisationen beteiligt. Darunter waren Kitas, Einrichtungen und Beratungsstellen aus der Familien- und Jugendhilfe sowie der Pflege, Eingliederungshilfe, Migrationshilfe, Schuldnerberatung und Wohnungslosenhilfe.

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Wohlfahrtsverbände warnen vor Zusammenbruch sozialer Infrastruktur