Die erste Karte wird aufgedeckt. „Ein Fisch, ein Fisch“, ruft einer aus der Runde. Aber wo liegt der zweite? Umdrehen, nachsehen – daneben. Enttäuschtes Raunen. Deutsch lernen mit einem Memory-Spiel – nur eine von vielen praktischen Varianten, mit denen Flüchtlingen im Arbeitskreis Asyl in Apen geholfen wird, in Deutschland anzukommen. Am Dienstag, 13. Oktober, hat Bischof Jan Janssen das Willkommens-Café des Arbeitskreises besucht, um sich ein Bild zu machen von dem niedrigschwelligen und bodenständigen Angebot in der Ammerländer Gemeinde. Gerade diese gezielte Arbeit im Kleinen sei wichtig, betonte Janssen. „Sie können nicht die ganze Welt retten – aber die Welt hier in Apen.“
Der Arbeitskreis Asyl, getragen von der Diakonie im Ammerland, ist ein gutes Beispiel dafür, wie Vernetzung und die professionelle Bündelung von Aufgaben funktionieren kann. Anfang des Jahres hatte die Kommunalverwaltung die Diakonie Ammerland gebeten, die Einsätze der vielen Ehrenamtlichen zu koordinieren, die in der Flüchtlingshilfe mitarbeiten wollten. „Diese enge Zusammenarbeit zwischen Kommune und Diakonie ist etwas Besonderes“, betont Hildegard Kluttig, Leiterin der Diakonie in Apen. „Und sie zeigt einmal mehr: Kein Ehrenamt geht ohne ein flankierendes Hauptamt.“
Oft seien die Ehrenamtlichen, die sich mit Eifer und Begeisterung in die Aufgabe stürzen, schnell mit ihren Kräften am Ende, so Kluttig. Um dies zu verhindern, werden sie von den Profis der Diakonie begleitet und beraten. Einmal im Monat treffen sich die Ehrenamtlichen zum Erfahrungsaustausch, zudem nehmen sie an einer Fortbildungsreihe zu Fragen von Asyl, Migration und Flucht teil, die die Diakonie gemeinsam mit der Ev. Erwachsenenbildung anbietet. „Mit diesem Zusammenspiel auf verschiedenen Ebenen ist Ihr Angebot ein echtes Vorzeigemodell“, zeigte sich Bischof Janssen beeindruckt. „Es ist ein Zeichen dafür, wie stark unsere Gesellschaft sein kann, wenn wir zusammenarbeiten.“
Ein weiterer Vorteil in der kleinen Gemeinde sind die kurzen Wege – zum Sozialamtsleiter, zu Hauseigentümern mit freien Wohnungen, aber auch zu Nachbarn und Freunden, die Ängste äußern vor den Flüchtlingen und den damit verbundenen Veränderungen. „Wir sind ein großes Bindeglied zur Bevölkerung“, hat die ehrenamtliche Mitarbeiterin Ingrid Renken festgestellt. „In Gesprächen können wir Sorgen nehmen. Etwa, wenn es um die Frage geht, ob Wohnungen enteignet werden oder die Turnhalle künftig für Flüchtlinge zur Verfügung stehen muss“, ergänzt ihre Mitstreiterin Christiane Bourguignon.
Die Ehrenamtlichen, sind sich alle einig, seien Multiplikatoren. Und da nichts mehr Gerüchte und Vorbehalte schürt als Unwissenheit, können sie auch mit Fakten aufwarten. Etwa, dass nach Apen überwiegend Familien kommen, die sich gegenseitig sozialen Halt bieten. Und dass bis Ende Januar für die Flüchtlinge, die noch kommen sollen, genügend Wohnraum zur Verfügung steht – dezentral in Wohnungen, nicht in Hallen oder Lagern.
40 bis 50 Flüchtlinge kommen regelmäßig zu den Willkommens-Cafés, im wöchentlichen Wechsel nach Apen bzw. nach Augustfehn. Ihnen steht ein Pool von insgesamt rund 30 Ehrenamtlichen zur Seite, die sich je nach Verfügbarkeit um die Gäste kümmern. „Viele unserer Ehrenamtlichen sind Vollzeit berufstätig und setzen sich nach Feierabend für die Asylbewerber ein“, weiß Anke Helm-Brandau. Die Synodale der oldenburgischen Kirche und Kirchenälteste in Apen ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingsfragen, einer Einrichtung von Kirche und Diakonie. Sie weiß, wie wichtig es ist, dass die Welle der Hilfsbereitschaft nicht nur kurz überschwappt, sondern stetig im Fluss bleibt: „Diese Ansprechpartner sind Haltepunkte für die Flüchtlinge in einer Phase, in der es kaum mehr Konstanten gibt.“
Das Engagement der Helfenden ist längst nicht auf das Willkommens-Café beschränkt: Die Ehrenamtlichen füllen mit den Flüchtlingen zusammen Formulare aus, begleiten sie zum Arzt, helfen ihnen beim Einkaufen – und müssen nicht selten auch improvisieren. „Da wird aus der Läuseprophylaxe dann schnell mal ein ‚It’s against the little animals in the hair“ – Das ist gegen die kleinen Tierchen im Haar“, erzählt Helm-Brandau lachend.
Nicht nur die Flüchtlinge lernen, sondern auch die Ehrenamtlichen. Das ist das Fazit, das Martina Bielefeld aus ihrem Engagement zieht: „Wir mussten erst verstehen, dass es nicht hilfreich ist vorzustürmen, sondern dass wir uns auch zurücknehmen müssen.“ Es sei wichtig, sich mit anderen Aktiven und auch Hilfsorganisationen zu vernetzen. „Schließlich müssen ja nicht alle erstmal die gleichen Fehler machen.“
Die Flüchtlingsproblematik nicht nur über die „mediale Berieselung“ wahrzunehmen, sondern sich zu fragen, was man selbst tun könne, sei ein wichtiger Ansatz, so Bischof Janssen. „In den 1940er Jahren war die evangelische Frauenhilfe Anlaufstelle für die Flüchtlinge aus dem Osten – da stehen Sie in guter Tradition.“
Ein Beitrag von Anke Brockmeyer.
Source: Kirche-Oldenburg