Osnabrück (epd). Die Forschung zu Flucht und Flüchtlingen ist in Deutschland nach Ansicht von Wissenschaftlern bislang sträflich vernachlässigt worden. "Bis heute gibt es weder ein Institut noch eine Professur zur Flüchtlingsforschung", kritisierte der Direktor des Osnabrücker Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien, Andreas Pott, am Donnerstag zum Auftakt der bundesweit ersten Konferenz zur Flüchtlingsforschung in Osnabrück. Das müsse sich dringend ändern.
Eine von tagespolitischen Konjunkturen unabhängige Grundlagenforschung sei notwendig, um Perspektiven für eine Flüchtlingspolitik entwickeln und konkrete Empfehlungen geben zu können, sagte Pott am Rande der Veranstaltung dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Noch wissen wir viel zu wenig. Wir wissen weder genug über den Gegenstand und seine dynamische Veränderung noch über parallel laufende Forschungsanstrengungen." Im englischsprachigen Raum, etwa in Großbritannien, den USA, Australien oder Kanada, würden Asyl und Flucht bereits seit 30 Jahren systematisch erforscht.
Zu der dreitägigen Konferenz unter dem Titel "65 Jahre Genfer Flüchtlingskonvention" treffen sich noch bis Sonnabend rund 300 Migrations- und Konfliktforscher, Politologen, Historiker, Pädagogen, Geografen und Soziologen aus ganz Deutschland. Diskussionsgegenstand sei nicht nur die Flüchtlingskonvention, die bis heute die Grundlage des Flüchtlingsschutzes sei, betonte Konferenzleiter Olaf Kleist. Die Experten wollten sich vor allem über die neuesten Ergebnisse aus allen Gebieten der Flüchtlingsforschung austauschen.
Rund 200 weitere Interessenten mussten nach Angaben des Konferenzleiters aus Platzmangel abgewiesen werden. "Schon das zeigt den enormen Bedarf für eine solche Plattform." Zurzeit werde durchaus an vielen Standorten über einzelne Phänomene wie Fluchtursachen und Fluchtwege, Integration oder Asylpolitik geforscht. "Aber all diese Aspekte gehören zusammen, bedingen einander und müssen umfassend und fachübergreifend diskutiert werden", erläuterte Kleist.
So könne etwa eine gelungene Integration von Flüchtlingen in demokratische Gesellschaften den Aufbau von demokratischen Strukturen im Herkunftsland befördern. "Deshalb ist es notwendig, abseits von Einzelprojekten dauerhafte Strukturen in der Flüchtlingsforschung zu schaffen."
Bereits vor drei Jahren habe er deshalb gemeinsam mit Kollegen das "Netzwerk Flüchtlingsforschung" für deutsche und internationale Wissenschaftler gegründet, betonte der Migrationsforscher. Unter dem Dach des Netzwerkes wurde die Konferenz organisiert. Gastgeber ist das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück.
Source: Kirche-Oldenburg