Hannover/Oldenburg (epd). Bereits zum zweiten Mal wird Ostern unter den Vorzeichen der Corona-Pandemie stattfinden. Der Oldenburger Bischof Thomas Adomeit, Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, ist zuversichtlich, dass die Kirchen bestens vorbereitet auf das höchste christliche Fest zugehen – und in diesem Jahr sowohl mit neuen digitalen Formaten, als auch mit klassischen Gottesdiensten in coronagerechtem Rahmen punkten können. Mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) sprach Adomeit über krisenerprobte Hygienekonzepte, wachsende Hoffnung auf bessere Zeiten sowie seine Vorliebe für analoge Ostergottesdienste mit Gesang und Kerzen.

epd: Wir gehen auf ein weiteres Osterfest unter den Vorzeichen und Einschränkungen der Corona-Pandemie zu. Ist das jetzt ein Déjà-vu für Sie – oder erleben Sie eine ganz andere Situation als vor einem Jahr?

Adomeit: Letzteres. Vor einem Jahr, mitten im ersten Lockdown, waren wir abrupt mit einer bislang ungekannten Situation konfrontiert. Eine Situation, für die niemand eine Blaupause hatte. Gottesdienste in Präsenz waren nicht möglich. Doch zugleich wurde überall in unseren Kirchengemeinden unglaublich viel Energie und Kreativität für alternative Formate aufgewandt, um bei den Menschen zu sein. Um so gut es eben möglich war, miteinander Ostern zu feiern.

Darauf können wir in diesem Jahr aufbauen. Wir können die neuen digitalen Formate professionalisieren und haben zugleich die Möglichkeit, wenn auch in kleinerem Rahmen, in Präsenz miteinander Gottesdienste zu feiern. Wir können gleichermaßen als digitale und analoge Kirche in Erscheinung treten. Die Pandemie hat auch gute Entwicklungen forciert, hat uns flexibler und zukunftsfähiger werden lassen.

Und schließlich ist Ostern auch in diesem Jahr ein Fest von Hoffnung und Zuversicht: Wir mögen Corona noch nicht im Griff haben, aber wir spüren doch, dass wir dank der anrollenden Impfkampagne langsam auf bessere Zeiten zugehen.

epd: Die evangelischen Kirchen der Konföderation haben sich bei den Handlungsempfehlungen eng abgestimmt. Derzeit wird den teils stark unterschiedlichen regionalen Inzidenzen besondere Bedeutung beigemessen. Ist in dieser heterogenen Situation ein gemeinsames Vorgehen der niedersächsischen Kirchen überhaupt möglich?

Adomeit: Es ist ganz klar mit dem Land Niedersachsen ein Rahmen festgelegt, um Präsenzgottesdienste zu feiern und Angebote in den Kirchengemeinden und kirchlichen Einrichtungen möglich zu machen, etwa im Bereich der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Entscheidend sind dabei Hygienekonzepte, die sich absolut bewährt haben. Die finale Entscheidung über das, was in diesem Rahmen geht oder eben nicht geht, lag und liegt bei den Kirchengemeinden. Das ist gerade jetzt sinnvoll, da das Pandemie-Geschehen viel regionalisierter bewertet wird. Die Kirchenleitungen und die Konföderation geben einen Handlungsrahmen vor, der Orientierung und Sicherheit bietet. Einen solchen eng zwischen allen Kirchen abgestimmten Rahmen wird es auch weiterhin geben.

epd: Die nächste Bund-Länder-Runde könnte je nach Pandemielage weitere Lockerungen oder Verschärfungen mit sich bringen. Rechnen Sie damit, dass die Kirchen von weiteren Maßnahmen unberührt bleiben – oder sind sie auch kurz vor Ostern für einen möglichen Schwenk gewappnet, der zum Beispiel Gottesdienste erschwert?

Adomeit: Dass es bei Gottesdiensten größere Einschränkungen gibt, erwarte ich nicht. Vor Weihnachten stiegen die Inzidenzen rasant, und trotzdem haben wir eine tragfähige Antwort gefunden – durch die enge Abstimmung der Krisenstäbe der einzelnen Kirchen mit der Konföderation, durch zügige Justierungen unserer Handlungsempfehlungen und durch Gemeinden, die sehr verantwortungsbewusst und flexibel auf die Pandemie-Situation vor Ort reagiert haben – was eben auch zum Teil bedeutet hat, Gottesdienste abzusagen. Alle, in der Kirchenleitung und vor Ort, Haupt- und Ehrenamtliche, haben dazu beigetragen, dass wir in unseren fünf Kirchen keinen Corona-Ausbruch hatten. Wenn es wirklich zu einer Zuspitzung der Situation kommen sollte, bin ich zuversichtlich, dass wir kurzfristig und umfassend reagieren können.

epd: Sie sagten, die Kirchen hätten zu diesem Osterfest mehr denn je die Chance, die Menschen sowohl analog als auch digital zu erreichen. Muss die Kirche zukünftig kanalübergreifender denken und handeln?

Adomeit: Definitiv. Aber das ist ja eigentlich auch nichts Neues, sondern gut reformatorisch. Schon Martin Luther wusste, über welche Kanäle, welche Medien er die Menschen erreicht. Damals war es der Buchdruck, heute sind es die sozialen Medien. Aber nicht nur: Denn auch klassische Gottesdienste – das gemeinsame Singen, Beten und Feiern in leiblicher Gemeinschaft – werden überdauern. Nicht nur, weil es der Kern kirchlichen Lebens ist, sondern weil es immer Menschen geben wird, die genau danach Sehnsucht haben. «Prüft aber alles und das Gute behaltet» – dieses Bibelwort muss für alles gelten, was wir tun, ob analog oder digital. Deshalb haben sich in unseren Kirchen erste Foren gebildet, in denen wir betrachten und auswerten, was von den vielen Formaten, die im vergangenen Jahr sehr kurzfristig entwickelt worden sind, bleibenden Wert hat.

epd: Angenommen Sie hätten die Wahl zwischen einem digitalen und einem analogen Ostergottesdienst: Wo wären Sie dabei?

Adomeit: Also Ostern wünsche ich mir für mich persönlich und jenseits der Pandemie analog und leibhaftig. Nach der vorangegangenen Passionszeit, in der wir Jesu Leidensweg nachvollziehen, ist es schon bewegend, aus dieser Dunkelheit gemeinsam ins Licht zu treten. Ostern ist für mich untrennbar verbunden mit festlichen Osternachts-Gottesdiensten in der Gemeinde, mit Tauffesten, mit gemeinsamem Singen, mit einem Kerzenmeer. Ich wünsche mir, dass Ostern auch weiterhin in dieser Form erkennbar bleibt.

Gerade jetzt, da wir andere Menschen seit zwölf Monaten kaum noch real, sondern in Zoom-Kacheln auf unseren Bildschirmen erleben, da wir uns nicht herzlich umarmen, sondern allenfalls mit Ellenbogen und Fußspitze begrüßen, entsteht eine neue Sehnsucht nach Nähe, nach einem lebendigen Gegenüber, nach dem Analogen. Ostern ist das Fest der Auferstehung Christi und damit das Fest des Lebens und der Gemeinschaft schlechthin. Es macht uns genau auf diese Sehnsucht aufmerksam. Auch deshalb wird dieses Osterfest unter diesen Umständen ein ganz besonderes werden.

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Adomeit: Es gibt eine neue Sehnsucht nach dem Analogen