Heute ist mein persönlicher Corona-Jahrestag. Ich war gerade auf dem Rückweg, um unsere Tochter vorsorglich vom Studienort nach Hause zu holen. Da erreichte mich der Anruf meines Bischofs: Lockdown! Ich sollte umgehend in meinem Kirchenkreis den Betrieb herunterfahren. Im eilig zusammen-gerufenen Krisenstab suchte ich Trost und Zuversicht in einem Wort Martin Luthers: „Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern.“

Ein Jahr später kreisen Kummer und Sorge immer noch und wieder bedrohlich über mir. Oft genug habe ich kräftig in die Hände geklatscht, um die dunklen Vögel zu vertreiben. Doch unverdrossen wütet das Virus weitet, der Notbetrieb nimmt kein Ende, der grauen Haare sind einige dazu gekommen. Doch statt Sorgennester im Haar fühle ich mich gut behütet. Liebe Menschen, gute Worte und freundliche Gesten habe mich durch das Jahr getragen. Und der eine, der seine Hand über mir gehalten hat, wenn es dicke kam, und der die Hände sanft zum Segen öffnet, sobald der erste Streifen Licht durch die Wolken bricht. 

Christian Scheuer

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