„Schön wärs“, höre ich mich selber seufzen. Vielleicht zieht ja zumindest der Impfquotient in den kommenden Wochen noch einmal kräftig an, damit das Licht am Ende des Pandemie-Tunnels endlich näherkommt. Eine exponentielle Steigerung der Geimpften! Das wäre doch mal eine tolle Nachricht!
   
Klar, natürlich fühle ich auch die weiche Frühlingsluft der milderen Tage, sehe das explodierende Grün an Büschen und Bäumen, aber alles neu…, schon im Mai…? 

Da fällt mir doch eher so manches ein, was sich eingeschliffen hat in den vergangenen Wochen und Monaten. Vielleicht kennen Sie das auch? 

Gewohnheiten, die eigentlich nicht guttun, und auf denen wir so automatisch weiterrollen als wären es Straßenbahnschienen. Oder ein ständiges Gefühl von Erschöpfung und Überforderung und die wütende Sehnsucht, dass dieser Corona-Mist endlich mal vorbei ist.
   
Der aktuelle „Wochenspruch“ liest sich wie ein Kommentar zum angeblich „neumachenden“ Mai. Paulus schreibt diesen ziemlich steilen Satz im 5. Kapitel seines zweiten Briefes an die Gemeinde in Korinth: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“
   
Stimmt irgendwie. Da war doch noch was. Mein Glaube. Naja, auch der hat in letzter Zeit seine Lockdown-Phasen. Sicher, manchmal spürte ich schon die Kraft durchzuhalten, weiterzumachen. Aber so vollmundig wie das bei Paulus anklingt mit der „neuen Schöpfung“, das wirkt irgendwie doch auch ein wenig übertrieben für meine nüchtern-nordwestdeutsche Ohren.
   
Wobei – irgendwie lockt es mich auch. Wozu nenne ich mich denn schließlich „Christ“, engagiere mich, zahle Kirchensteuer…? Ich will doch auch was davon „haben“, mal ganz ungeschützt gesagt. 
   
Neulich, auf der Suche nach diversen Unterlagen, fiel mir das Familienbuch mit den Taufeintragungen in die Hände. Das bin ich ja auch – getauft. Und dafür gibt es sogar Zeuginnen und Zeugen und eine schriftliche Beglaubigung. Wie hatte das jemand noch mal formuliert? 

In meiner Taufe wurde ich von Christus liebevoll „vereinnahmt“, wurde mir mit Wort, Wasser, Geist und schwarz auf weiß noch einmal versichert: Christus hat sich mir dir verbunden. Willkommen in Gottes Freundeskreis! Echt jetzt, das gilt!
   
Das „Neue“ von dem Paulus spricht muss ich mir also gar nicht selbstoptimierend abzwingen. Es ist schon da und fließt zu mir, wenn ich es zulasse. Klar, das habe ich schon so manches Mal erlebt. 
   
Letztlich ist es mit dem Glauben wohl so wie mit jeder Beziehung. Sie lebt, wächst und prägt mich, indem ich mich für den anderen öffne und sie einfach lebe. Und damit rechne, dass Gott tatsächlich „Neues“ schafft, mitten im Gewohnten. Durch das kurze Gebet am Morgen, wo ich meinen Tag innerlich an Gott abgebe. Oder ein „Gruß von oben“ aus dem Losungsbüchlein. Einen Moment der Stille mitten am Tag. Ein „Hindenken“ zu Gott in einer kniffligen Situation. Oder wenn ich mich richtig ärgere und dann diese leise Einladung höre, meine Umgebung und besonders auch manche Menschen einmal probeweise mit Gottes Augen anzusehen. 

Das schenkt mir manchmal eine gute Portion Rückenwind oder zumindest eine Brise Hoffnung und Barmherzigkeit. Für mich selber und für meine Mitmenschen. 
   
Ok! Der Mai kann kommen. Vermutlich wird nicht gleich alles neu, aber ich könnte mich ja mal wieder öffnen – für die „Erneuerungsmomente“ von oben…
   
Pfarrer Cornelius Grohs
 

Kirche-Oldenburg
„Alles neu macht der Mai…?“