Herbert Kessen strampelt für die Ökumene. Per Rad hat er sich aufgemacht, um für seinen Antrag zu werben, als Katholik auch Mitglied in der evangelischen Kirche sein zu dürfen. Er sieht die Aktion als Beitrag, um Trennendes zu überwinden.
Wildeshausen/Kr. Oldenburg (epd). Das 500. Reformationsjubiläum in diesem Jahr ist für den Niedersachsen Herbert Kessen der perfekte Zeitpunkt, um auf sein Anliegen aufmerksam zu machen. Was letztlich zur Spaltung in evangelische und katholische Kirche geführt hat, nimmt der 68-Jährige aus dem kleinen emsländischen Städtchen Werlte zum Anlass, um die Debatte um die Ökumene zu befeuern. Denn im Sinne einer Doppelmitgliedschaft möchte der Katholik auch in die evangelische Kirche eintreten. Auf einer mehr als 400 Kilometer langen Rad-Pilgerfahrt von Werlte in die Lutherstadt Wittenberg wirbt er für seine Mission.
Am 10. August will Kessen in Wittenberg sein. Dort will er wie einst Martin Luther (1483-1546) sein Anliegen öffentlich proklamieren und dann seinen Antrag an offizielle Stellen übergeben – an historischer Stätte vor der Tür der Schlosskirche, an der einst Luther seine 95 Thesen angeschlagen haben soll.
Für den Weg dorthin hat der Architekt ein dreirädriges Gefährt konstruiert mit einem Aufbau, der ihn zuverlässig vor Regen schützt. «Ich bin überzeugt, dass Doppelmitgliedschaften kreativ, verbindend und ausgleichend sind – und schließlich auch dem Trend der Kirchenaustritte entgegenwirken können», sagt der Aktivist bei einem Zwischenstopp im oldenburgischen Wildeshausen.
Seit zehn Jahren teilt er Glauben und Gemeindeleben mit seiner evangelischen Lebenspartnerin Annelene Theile (65). «Wir fühlen uns in beiden Kirchen zu Hause», sagt Kessen dem epd. So geht das Paar gemeinsam zum Abendmahl in die evangelische und auch zur Kommunion in die katholische Kirche. Dort habe seine Partnerin immer noch ein mulmiges Gefühl, weil sie wisse, dass ihr nach dem Kirchenrecht die Teilnahme nicht zustehe. «Das bewegt uns. Sie geht dennoch mit mir, jedoch in der Hoffnung, dass der Hostiengeber sie nicht übergeht.»
Das sei bisher auch noch nicht passiert. «Gleichwohl wissen wir, dass auch heute noch gelegentlich die Hostie verweigert wird», meint Kessen. Er ist überzeugt, dass Jesus Christus das so nicht gewollt hat. «Das Evangelium und die Gebote Gottes bieten eigentlich keine Grundlage für einen getrennten Glauben im Christentum. Jesus Christus hat uns alle durch die Taufe zu seinen Brüdern und Schwestern gemacht und uns als Kinder Gottes in seiner einen Kirche vereinigt.»
Als Laie frage er sich deshalb, was Jesus tun würde und nicht, was das Kirchenrecht vorgebe. Darüber will er auf seiner Pilgerfahrt über Schwarmstedt, Celle, Gifhorn, Mariental, Oschersleben, Schönebeck, Barby und Dessau bis Wittenberg mit Journalisten reden und mit Passanten diskutieren. Für den Ruheständler ist klar: «Die insgesamt positive Entwicklung im ökumenischen Miteinander fordert die doppelte Kirchenmitgliedschaft förmlich heraus.»
Das allerdings sehen Sprecher der beiden großen Kirchen anders. «Eine Doppelmitgliedschaft ist nach dem Mitgliedschaftsgesetz der Evangelischen Kirche in Deutschland nicht möglich», sagt Pastor Benjamin Simon-Hinkelmann als Sprecher der hannoverschen Landeskirche. Überdies gebe es eine Reihe von Unterschieden, die es nur schwer vorstellbar machten, dass jemand genauso überzeugt Mitglied in der einen wie in der anderen Kirche sei: «Unter anderem das Papsttum, das Amtsverständnis, das Zölibat und die Nichtzulassung von Nichtkatholiken zum Abendmahl in der katholischen Kirche.»
Ähnlich argumentiert Hermann Haarmann, Sprecher des katholischen Bistums Osnabrück. «Die Doppelmitgliedschaft würde etwas vorwegnehmen, was es nicht gibt – die Einheit der Kirche», ergänzt er. Das sei mit der Realität nicht vereinbar. Allerdings sehen die beiden Vertreter der Kirchen in Kessens Pilgerfahrt eine spannende Initiative, um die Ökumene ins Gespräch zu bringen. «Wir müssen noch weiter aufeinander zugehen», betont Simon-Hinkelmann, fügt aber auch hinzu: «Das geht auch ohne eine Doppelmitgliedschaft.»
Kessen sagt, er wolle keinesfalls die Reformation infrage stellen. Trotzdem möchte er Trennendes überwinden, damit katholische und evangelische Christen wieder «echte» Schwestern und Brüder im Glauben sein könnten. Dafür soll am Ende in Wittenberg in einem Bittgottesdienst gebetet werden. In der Stadtkirche, wo einst Luther gepredigt hat.
Source: Kirche-Oldenburg