epd-Gespräch: Charlotte Morgenthal

Wolfenbüttel/Braunschweig (epd). Der braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns hat davor gewarnt, die Feierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum allein auf Martin Luther zu beziehen. Nur Luther als eine Person zu sehen, die ganz Deutschland reformiert habe, sei eine «grobe Vereinfachung», sagte der Theologe dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Reformation sei ein Gemeinschaftswerk gewesen. So habe der Gelehrte Philipp Melanchthon mit seinem Einfluss auf die Schullandschaft in Deutschland mindestens eine genauso wichtige Rolle eingenommen. Auch hätten die von Johannes Bugenhagen verfassten Kirchenordnungen über Jahrhunderte hinweg das kirchliche und kommunale Leben bestimmt.

Die große Reformationsausstellung «Im Aufbruch», die von Mai an im Braunschweiger Landesmuseum zu sehen sei, versuche ebenfalls zu zeigen, dass es nicht die eine Reformation gegeben habe, betonte Meyns. Die Schau veranschauliche, was es für die Menschen in der gesamten Region von Braunschweig über Celle bis Göttingen bedeutet habe, als alte Lebensformen und Ordnungen plötzlich zusammenbrachen. Zunächst habe die Zeit wie eine Befreiung gewirkt, bis sich neue Krisen und Konflikte abzeichneten.

Faszinierend sei für ihn, dass die derzeitige gesellschaftliche Situation jener der Reformationszeit stark ähnele, sagte der evangelische Theologe. Wie damals sei auch die Gegenwart von Ängsten und Unsicherheiten vor neuen Entwicklungen geprägt.

Die Reformation sei im Guten wie im Schlechten eines der prägendsten Ereignisse für die deutsche Geschichte gewesen, betonte Meyns. Besonders die Entstehung der heute etwa gleich großen christlichen Konfessionen, die mit Konflikten und Gewalt verbunden war, habe die gesellschaftlichen Entwicklungen beeinflusst. Über die Reformation sei auch das Hochdeutsche zur Hauptsprache geworden.

Luther sei schon immer eine Figur gewesen, auf die während der Jahrhunderte unterschiedliche Sehnsüchte projiziert wurden, kritisierte Meyns. So sei der Reformator anlässlich der Jubiläen vor 100 und 200 Jahren beispielsweise zum Nationalheld stilisiert worden.

Das Bild des Reformators im 18. Jahrhundert sei geprägt von der Frühaufklärung gewesen. Jedes Jubiläum werde durch die Brille der eigenen Erfahrungen gesehen.

Source: Kirche-Oldenburg