Hannover (epd). Eine zunehmende Smartphone-Nutzung bei Kindern und Jugendlichen hat dem hannoverschen Chefarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Christoph Möller, massive gesundheitliche Schäden zur Folge. «Je höher der Medienkonsum ist, desto ausgeprägter treten Auffälligkeiten auf», sagte Möller der in Hannover erscheinenden «Neuen Presse» (Sonnabend). Dazu zählten Schlafmangel, depressive Verstimmungen, Haltungsschäden, Übergewicht oder Konzentrationsstörungen. 97 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen besäßen ein Smartphone, das sie im Schnitt täglich fünf Stunden nutzten. Auch Kita-Kinder oder Grundschüler seien am Handy der Eltern aktiv.
Auch das Unfallrisiko steige, sagte Möller, der die Abteilung für
Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kinderkrankenhaus Auf der Bult leitet. «Die jungen Menschen sind durch den Blick auf das Handy schlicht unaufmerksam.» Selbst auf Säuglinge, die noch nicht selber das Handy nutzten, könnten sich digitale Medien negativ auswirken.
«Wenn Eltern, während der Kinderpflege oder des Fütterns parallel mit dem Handy beschäftigt sind, kann das zu Fütter- und Einschlafstörungen bei Babys und später sogar zu Sprachentwicklungsstörungen bei Kleinkindern führen.»
Scharfe Kritik übte Möller an der Bildungsoffensive von Bund und Ländern. Je mehr Zeit Kinder am Smartphone verbrächten, desto schlechter seien ihre Lernleistungen. Guter Unterricht werde maßgeblich durch die Persönlichkeit des Lehrers bestimmt: «Aber statt viel Geld auszugeben, um den Lehrermangel endlich zu beheben, wird viel Geld für die Digitalisierung ausgegeben.»
Kinder sollten erst nach dem zwölften Lebensjahr an die digitalen Medien herangeführt und nicht allein unter ihrer späteren Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt betrachtet werden, empfahl Möller. «Kinder sollten keinem höheren Zweck dienen, sie haben es verdient, Kind zu sein.» Möller leitete mehrere Jahre die Suchteinrichtung «Teen Spirit Island», wo er seit 2010 die ersten computersüchtigen Jugendlichen behandelte.
Zwar sei das Handy ein «bequemer Babysitter», aber es fördere nicht die Entwicklung, sagte der Mediziner. Das freie kindliche Spiel, eines der wichtigsten Dinge für eine gesunde Entwicklung, werde den Kindern schlicht abtrainiert. «Kleine Kinder brauchen keine Wischbewegungen auf Smartphones, sie brauchen Liebe, Zuneigung und echte Sinneserfahrungen.» Die grundlegenden Dinge lernten sie im medienfreien Raum.
Source: Kirche-Oldenburg