Bremen (epd). Die zugespitzte Lage in der Corona-Pandemie hat bei der Telefonseelsorge im November erneut zu einer stark gestiegenen Zahl von Anrufen geführt. «Das hat spürbar zugenommen, in Bayern mit seinen hohen Inzidenzzahlen noch signifikanter als in Bremen», sagte der Leiter der Bremer Telefonseelsorge, Pastor Peter Brockmann, dem Evangelischen Pressedienst (epd). «Viele Menschen treiben Gefühle von Frustration, Enttäuschung und Erschöpfung um.»

 

Das Thema Corona sei am Telefon im November zweieinhalb Mal öfter angesprochen worden als noch im Oktober, bilanzierte der evangelische Theologe. Häufig gehe es um die Angst, dass durch nun drohende weitere Einschränkungen Einsamkeit und Isolation weiter zunehmen könnten. «Wie kann ich mich mit meiner Familie treffen, mit den Enkeln? Kann ich noch zum Sportverein gehen, meine Selbsthilfegruppe besuchen, die für mich ein wichtiger Stützpfeiler ist?: Das sind Fragen, die häufig auftauchen.»

 

Etliche Anruferinnen und Anrufern seien verwirrt über unterschiedliche Zugangsregelungen. Zudem erscheine die gesellschaftliche Situation insgesamt brüchig: «Das gibt vielen Menschen nicht die Sicherheit, die sie brauchen, sondern verschärft ihre Situation.» Ohnehin seien es größtenteils durch krisenhafte Entwicklungen etwa in der Familie, am Arbeitsplatz oder durch eine psychische Krankheit vorbelastete Menschen, die bei der Telefonseelsorge Hilfe suchten.

 

Im ersten Corona-Jahr 2020 registrierte alleine die Bremer Telefonseelsorge mehr als 14.000 Telefonate. Angststörungen und Depressivität bis hin zu Suizidalität erlebten die Ehrenamtlichen am Hörer Brockmann zufolge in einer Intensität, die für sie neu war. «In diesem Jahr werden es weniger Gespräche sein, weil 2020 Corona noch präsenter war», vermutete Brockmann. Doch klar sei auch, dass die Nachfrage die Kapazität der Telefonseelsorge etwa um das Zehnfache übersteige: «Bundesweit gibt es jährlich bis zu elf Millionen Versuche, die Telefonseelsorge zu erreichen, etwa eine Million Seelsorgegespräche kommen zustande.» Viele Anruferinnen und Anrufer müssten öfter probieren.

 

Immer wieder werde den Ehrenamtlichen zurückgemeldet, dass alleine die Gesprächsmöglichkeit geholfen habe. Brockmann: «Manchmal genügt es schon, sich Sorgen und Ängste von der Seele zu reden. Ein Gespräch kann helfen, die Gedanken zu sortieren und neue Wege zu erkennen.» Insgesamt hat die Bremer Telefonseelsorge etwa 70 ehrenamtlich Mitarbeitende, die sich nach einer gründlichen Ausbildung die Schichten rund um die Uhr teilen. Bundesweit sind es in mehr als 100 regionalen Telefonseelsorge-Stellen über 7.700 Freiwillige.

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Corona: Telefonseelsorge sieht erneut gestiegenen Gesprächsbedarf