Es ist notwendig, die Menschen in den Wohnblöcken 11 und 12 am Wollepark in Delmenhorst zu unterstützen, erklärte Kreispfarrer Bertram Althausen am Mittwoch, 23. August. Die rechtliche Situation binde der Stadt jedoch die Hände. Den Kirchen in Delmenhorst sei es nun gelungen, Vertreterinnen und Vertreter aller großen politischen Parteien gemeinsam mit der Stadt und den Stadtwerken an einen Tisch zu bekommen, um nach einer Lösung für die Situation zu suchen, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) in Delmenhorst.

„Wir sind irritiert und sehen dort das Menschenrecht auf Wohnen verletzt“, so Althausen. Zwei Stunden hätten die Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kirche und Verwaltung sowie dem Diakonischen Werk darüber gesprochen, welche Möglichkeiten es in der Situation um die Wohnblöcke ohne Wasser und Strom gebe.

200 Menschen leben derzeit nach Angabe der Stadt noch in den 80 Wohnungen der beiden Wohnblöcke am Wollepark. Viele halten aus, weil sie bisher keine alternative Wohnung gefunden haben. Für manche seien selbst diese Wohnungen besser als das, als die Bedingungen in ihren Herkunftsländern, erläutert Franz-Josef Franke. Er ist Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Delmenhorst und berät mit seinen Mitarbeitenden die Bewohnerinnen und Bewohner seit Beginn des Konfliktes.

Flüchtlinge hätten ihr ganzes Geld für die Flucht aus Kriegsgebieten aufgewendet. Auch Bulgaren und Rumänen könnten nicht mehr zurück. „Die Menschen handeln aus dem Prinzip Hoffnung“, stellte Franke fest. Sie seien mit großen Hoffnungen aus unsäglichen Bedingungen her gekommen. „Die Möglichkeit, trocken zu schlafen, sei immer noch besser, als ohne Geld in die Heimat zurückzugehen und dort im Freien zu nächtigen.“

In Delmenhorst sind sie wieder zwischen die Fronten geraten. Auf der einen Seite stehen profitgierige Eigentümer, die Wohnungen in sehr schlechtem Zustand zu überhöhten Preisen vermieten und die Nebenkosten für Strom und Wasser nicht abführen. Auf der anderen Seite steht die Stadt Delmenhorst mit ihren Stadtwerken und dem Energieversorger.

Auf Seiten der Wohnungseigentümer gäbe es kriminelle Strukturen, die die Notlage der Menschen ausnutzten. Darin waren sich die Vertreterinnen und Vertreter aller Parteien einig. FDP-Landtagsabgeordneter Christian Dürr forderte, diesen Sumpf mit vorhandenem Strafrecht dauerhaft auszutrocknen. Über ein neues Bauordnungsrecht könne aber frühestens der neue Landtag beschließen. Die Bundestagsabgeordnete Astrid Grotelüschen (CDU) warnte davor, das Eigentumsrecht einzuschränken. Gleichwohl müssten Kommunen handlungsfähiger werden. Dafür notwendige Veränderungen bestehenden Rechts benötigten aber viel Zeit.

Linken-Abgeordneter Herbert Behrens sieht hingegen dringenden Handlungsbedarf. Zusätzlicher Druck, der nur die Bewohnerinnen und Bewohner treffe, sei nicht in Ordnung. „Die öffentliche Hand darf nicht zur Unbewohnbarkeit beitragen.“ Behrens forderte dagegen eine neue Gemeinnützigkeit im Baubereich. Denn die soziale Katastrophe im Wollepark sei die Folge der Einstellung des sozialen Wohnungsbaus.

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Susanne Mittag kennt das Problem mit schnell wechselnden Eigentumsverhältnissen bei Wohnblöcken. Neu sei, dass die Stadt Delmenhorst es hier nicht mit einem Eigentümer, sondern mit 50 Eigentümern zu tun habe, die offiziell keine gemeinsame Eigentümervertretung haben. Das mache es den Stadtwerken schwer, Außenstände einzuklagen.

Derzeit seien erst 11.000 Euro von über 130.000 Euro eingeklagt, berichtet Stadtwerke-Geschäftsführer Hans-Ulrich Salmen. Weil die Eigentumsverhältnisse so unübersichtlich sind, sieht Salmen wenig Chancen für die Stadtwerke, das fehlende Geld bald zu bekommen. Also wird sich an der Situation der Häuser nicht ändern. „Die Stadt müsse mehr rechtsstaatliche Mittel zum Handeln bekommen, forderte Landtagsmitglied Thomas Schremmer (Bündnis 99/Die Grünen). Gesetzesänderungen wie ein Wohnaufsichtsgesetz seien wichtig, um mittelfristig zu verhindern, dass es solche Zustände auch an anderen Orten gebe.

„Aktuell können wir die Situation vor Ort nur über Beratung der Menschen weiter verändern“, betonte Schremmer. Diese Aufgabe übernimmt weiterhin die Diakonie, die mit den Mitarbeitenden im Nachbarschaftsbüro zu den Menschen gehe.

Ein Beitrag von Frerk Hinrichs, Diakonie im Oldenburger Land.

Source: Kirche-Oldenburg