epd-Gespräch: Dieter Sell
Hannover/Leer (epd). Der hannoversche Theologe und Sozialwissenschaftler Gerhard Wegner hat vor einem zu großen Tempo bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft gewarnt. «Wenn die Zeit für eine Gestaltung der digitalen Souveränität fehlt, überfordert das die Menschen», sagte der Sozialethiker im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Grundsätzlich sei er nicht pessimistisch, was den Einsatz neuer Technologien und den damit verbundenen Chancen angehe. «Aber wir brauchen klare Regelungen, wie wir Maschinen einsetzen und was sie kontrollieren dürfen – und für diese Debatte brauchen wir Zeit.»
Wegner leitet seit 2004 das Sozialwissenschaftliche Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und ist auch Mitglied des Digitalrates Niedersachsen, den die Landesregierung im März vergangenen Jahres eingesetzt hat. Das Gremium berät die Politik zu Fragen beispielsweise im Zusammenhang mit digitalen Bildungsplattformen, Telemedizin und dem Einsatz digitaler Techniken in der Landwirtschaft.
Er sehe eine klare Trennung, sagte Wegner: «Maschine bleibt Maschine – Mensch bleibt Mensch.» Unter diesem Titel wollte Wegner am Dienstagabend im Rahmen eines Forums zum Kirchenalltag mit Smartphone und Facebook auch einen Vortrag im ostfriesischen Leer halten. «Mit Maschinen können wir viele Prozesse optimieren, da stecken positive Entwicklungsmöglichkeiten», betonte der evangelische Theologe, fügte aber hinzu: «Der Mensch ist weit mehr als ein Subjekt, das es zu optimieren gilt. Wir können Dinge, die Algorithmen nicht leisten: Glauben, lieben, vergeben, verzeihen – das wird eine Maschine niemals machen können.»
«Wenn wir die Digitalisierung gestalten, wenn wir bestimmen, wo es lang geht, brauchen wir keine Angst vor Maschinen zu haben», ist Wegner überzeugt. Leitlinien wie die «Zehn Gebote der Digitalen Ethik», die an der Hochschule für Medien in Stuttgart entwickelt worden sind, findet er in diesem Zusammenhang sinnvoll. «Das knüpft an unsere Kultur an, beispielsweise an das achte biblische Gebot ‘Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten’.»
«Viele sagen, dass die eigentliche Digitalisierung der Gesellschaft noch gar nicht angefangen hat», blickte der Sozialethiker in die Zukunft. Wer dem Thema gewachsen sei und eine totale Überwachung verhindern wolle, müsse sich damit beschäftigen. Bildung und Medienkompetenz seien in diesem Zusammenhang zentral: «Und auch dafür brauchen wir Zeit.»
Internet:
Sozialwissenschaftliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland EKD: www.si-ekd.de Die Zehn Gebote in der Bibel: http://u.epd.de/12fw und www.digitale-ethik.de
Source: Kirche-Oldenburg