Mehr als zwei Jahre Corona Pandemie liegen hinter den Menschen.
Besonders schwierig war die Situation für berufstätige Eltern mit Kindern. Die Belows aus Soltau hat die Krise viel Kraft gekostet, ihre Zuversicht haben sie sich dennoch erhalten.

Soltau (epd). Klagen, sich beschweren, Hilfe einfordern, Vorwürfe machen – das ist nicht die Art von Nicole Below und ihrem Mann Nico. Wer sich zu ihnen in den Garten in der Siedlung Ahlften in Soltau in die Frühlingssonne setzt, lernt ein zurückhaltendes, freundliches Ehepaar kennen. Nico Below verschwindet in der Küche, um Kaffee zu kochen, Nicole Below nimmt den kleinen Vin auf den Schoß und lächelt. Klar, Probleme und Sorgen gäbe es, wie in jeder Familie. Aber das ist nicht der Rede wert. Oder doch? Die 42-Jährige seufzt.

«Die zurückliegenden zwei Corona-Jahre waren hart», sagt sie schließlich. «Für uns alle.» Nicole und Nico Below haben drei Kinder, die 14-jährige Aaliyah und die Zwillinge Vin und Dean, sechs Jahre alt. Vin hat das Asperger-Syndrom, eine autistische Entwicklungsstörung, sowie weitere genetische Defekte. Er braucht Unterstützung, viel Zuwendung und Aufmerksamkeit.

Bereits vor Corona war das Leben der Belows anstrengend. Beide Eltern sind berufstätig, die Kinder gingen in Kindergarten und Schule. Damit es im Alltag rund lief, war alles straff organisiert. «Besonders für Vin sind geregelte Abläufe wichtig», sagt die Mutter.

Und dann von einem Tag auf den anderen: Kita dicht, Schule dicht.
Wichtige Stützen wie die Mitarbeiterin der «Autismus Ambulanz», die regelmäßig kam, sich liebevoll um Vin kümmerte und der Familien Freiräume eröffnete, brachen weg. Nico Below, der in Schichtarbeit in einer Brotfabrik tätig und wenig zu Hause war, sah keinen anderen Weg, als sich einen anderen Job zu suchen. «Ich konnte meine Frau doch nicht mit all dem allein lassen», sagt der gelernte Möbeltischler.

Auch Nicole Below musste sich eine neue Tätigkeit suchen, ihr wurde betriebsbedingt gekündigt. «Indirekt ebenfalls eine Auswirkung von Corona», sagt sie. Ihren Job habe sie mit den Kindern, die plötzlich alle den ganzen Tag zuhause waren, aber ohnehin nicht weiter ausüben können. Also suchte sich die Kauffrau etwas Neues. Sie ist nun für einen Saunahersteller tätig, bearbeitet die Reklamationen. «Das kann ich im Homeoffice machen», sagt sie. Ihr Büro ist ihr Schlafzimmer.

«Eltern am Limit», «Ausnahmezustand», «Familien in der Corona-Krise» – Schlagzeilen über Eltern und Kinder in der Pandemie gab es viele, Hilfen indes kaum. Es gehe um Existenzen, sagt Christine Heymann-Splinter, Vorsitzende der «Landeselternvertretung der niedersächsischen Kindertagesstätten». Die Realität junger Familien sehe so aus, dass beide Eltern arbeiten gehen müssen, «um die Rechnungen zu bezahlen», sagt sie. «Das ist nur mit verlässlicher Betreuung möglich.»

Auch Sina Denecke von der «Initiative Familie», die sich 2020 als Reaktion auf die Pandemie gründete, betont: «Vielen Familien in Deutschland geht es schlecht nach zwei Jahren Pandemie.» Besonders Mütter seien ins Hintertreffen geraten, kritisiert Denecke. Das Motto habe zu oft gelautet, «Mama macht das schon».

Wie sie fürchtet Jutta Allmendinger, dass Corona die Gleichberechtigung zurückdrehe und es zu einer Retraditionalisierung komme. Die Politik habe entschieden, Kitas und Schulen sehr schnell zu schließen, sagte die Soziologin dem Magazin «Spiegel» im Februar. «Das war nur möglich, weil man wusste, dass Mütter überwiegend in Teilzeit erwerbstätig sind und Beruf und Kinderbetreuung auch dann schaukeln würden, wenn die Kinder den ganzen Tag daheim sind.»

Bei den Belows ist die Last des Corona-Familienalltags immerhin auf zwei Schultern verteilt. Dennoch ist ihnen die Anstrengung der letzten 24 Monate anzusehen. Immer nur funktionieren, nie ausspannen – das hinterlässt Spuren. «Früher haben wir uns mal ein Wellnesswochenende zu zweit gegönnt», sagt Nicole Below. Daran war nicht zu denken. «Wo hätten denn die Kinder bleiben sollen?»

Kraft fanden die Eltern, die beide aus Sachsen-Anhalt stammen, immer auch in ihren Familien. «Vor Corona waren wir oft in Osterburg», sagt Nico Below wehmütig. Dann wurde alles kompliziert. Lockdown, Reisebeschränkungen, die Angst, andere zu infizieren. «Wir vermissen unsere Familie», sagt er.

Wie sie die letzten zwei Jahre überstanden haben, wissen die Belows selbst nicht so genau. Der Garten habe geholfen, das Trampolin und der Pool, die extra für die Kinder angeschafft wurden, auch. «So kam wenigstens auch Aaliyah mal aus dem Haus.» Ihre Große mache ihr Sorgen, sagt Nicole Below. Die 14-Jährige verlasse selten ihr Zimmer. «Das Handy scheint an ihr festgewachsen.»

In eine Decke gehüllt sitzt Aaliyah am PC, sie spielt das Fantasy-Action-Rollenspiel «Genshin Impact», in den Garten möchte sie nicht kommen. Was hat sie während der Lockdowns am meisten vermisst? Aaliyah drückt die Pausentaste und zuckt mit den Schultern. «Meine Freunde», sagt sie leise. «Und den Freizeitpark Soltau.» Der sei nicht weit weg. «Aber der hatte auch immer zu.»

Kirche-Oldenburg
Durchhalten, weitermachen, nach vorn blicken – Nach zwei Corona-Jahren stehen viele Familien noch immer unter Stress