Am 8. Dezember feierte die Evangelische Heimvolkshochschule (HVHS) Rastede mit einem Festakt ihr 75jähriges Bestehen. Rund 60 geladene Gäste verfolgten die Grußworte aus Politik und Kirche und genossen die Kochkünste des Küchenteams der Ev. HVHS Rastede. Rund 100 Gäste kamen, um die anschließende Lesung des Journalisten und freien Autors Hasnain Kazim zu erleben.
   
„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, mit diesem biblischen Zitat unterstrich Bischof Thomas Adomeit in seinem Grußwort die besondere Bedeutung der idyllisch am Schlosspark gelegenen Ev. HVHS Rastede als „Zuhause auf Zeit, in dem Menschen sich – unbelastet vom Alltag – auf Themen einlassen und neue Erfahrungen machen können. Angesichts des Relevanzverlustes von Kirche und Glaube in unserer Gesellschaft werde dieser Bildungsstandort auch zukünftig eine wichtige Rolle als Bildungsakteurin auf der Basis christlicher Grundwerte haben. 
   
Synodenpräsidentin Sabine Blütchen erinnerte an die gute Gastfreundschaft für die zweimal im Jahr in Rastede tagende Synode und die hohe Kundenzufriedenheit. Sie dankte dem Mitarbeiterteam für die vielfältigen Angebote, guten Kochkünsten, eine sehr umsichtige Gästebetreuung. Die Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg werde auch in Zukunft – auch mit Blick auf die noch notwendigen baulichen Veränderungen – eine verlässliche Partnerin an der Seite des Evangelischen Bildungshauses Rastede sein. 
   
Oberkirchenrat Detlef Mucks-Büker als zuständiger Bildungsdezernent erinnerte an die wichtige Weichenstellung seitens der Synode vor zwölf Jahren für ein Evangelisches Bildungszentrum als Plattform für Bildungsträger und Bildungshandelnde der oldenburgischen Kirche, nun mit der Ev. HVHS Rastede unter dem gemeinsamen Dach des Ev. Bildungshauses Rastede. Aus der damaligen Ausrichtung auf Bildung für junge Menschen im ländlichen Raum sei mittlerweile auch eine kirchlich getragene Bildung für alle Erwachsenen geworden. Nachhaltigkeit, Bewahrung der Schöpfung, Digitalisierung, Inklusion und Teilhabe sowie die Friedensfrage müssten als drängende Themen der Evangelischen Erwachsenenbildung im Blick sein. Das Ev. Bildungshaus Rastede sei ein Ort mit Chancen und Potentialen, der mehr denn je nicht nur als Ort der Bildung, sondern auch in einer auseinanderzufallen drohenden Gesellschaft als Ort der Begegnung, des Diskurses und der Verständigung benötigt werde, so OKR Detlef Mucks-Büker.
   
Seit mehreren Jahren ist das Ev. Bildungshaus eine Außenstelle des Pastoralkollegs Niedersachsen neben Loccum. Folkert Fendler, Rektor des Pastoralkollegs Niedersachsen, bedankte sich bei der Leiterin Pfarrerin Martina Rambusch-Nowak für die jahrelange umsichtige, gute und kooperative Zusammenarbeit. 
   
Das Bildungshaus Rastede versteht sich nach Auskunft der Leiterin bei aller Überregionalität als fester Bestandteil der Gemeinde Rastede und der Region. So betonte der Rasteder Bürgermeister Lars Krause die Wichtigkeit des Erhalts des Bildungsstandortes und die Wertschätzung seitens der Gemeinde für die in dieser Bildungseinrichtung geleistete Arbeit, nicht nur für und mit Menschen mit Migrationshintergrund und geflüchtete Menschen.
   
Der Vorsitzende des Vorstandes des Trägervereins der Ev. HVHS Rastede Hans-Joachim Harms, Direktor der Landwirtschaftskammer a.D., erinnerte an die Anfänge als bäuerliche Volkshochschule und die traditionsgemäße enge Verbundenheit von Landwirtschaftskammer, Landvolk und Landfrauen mit der Ev. HVHS Rastede. Die enge Zusammenarbeit mit der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg solle auch in Zukunft erfolgreich weitergeführt werden.
   
Leiterin Martina Rambusch-Nowak verwies abschließend auf das Wappen der damaligen bäuerlichen Volkshochschule Rastede. Es zeigt eine Kirche auf dem Deich, durch Flut bedroht. Im Deich steckt ein Spaten. Nach altem Stedinger Deichrecht war das ein Zeichen dafür, dass verantwortungsbewusste Männer berufen wurden, an dieser Stelle den Schutz des Deiches – und damit des Landes – zu übernehmen. Der Wappenspruch lautet: „Gott allein die Ehre!“ An diesem Wappen, das zugleich Abzeichen der Altschülergemeinschaft ist, die hier über Jahrzehnte hinweg in mehrwöchigen Kursen ihre Schulabschlüsse gemacht haben, wird symbolisch deutlich, worin die Schule ihre Aufgabe sah und noch heute sieht. Der Spaten als Zeichen für eine Notsituation: Die Gründung der Schule fand 1947 in Zeiten größter innerer und äußerer Not der Menschen statt. Die Bauern und Pastoren der damaligen Zeit zwischen Weser und Ems zogen sozusagen „den Spaten aus dem Deich“, so kann man es in alten Unterlagen lesen, um gegen die Flut von Hoffnungslosigkeit und Glaubenslosigkeit vorzugehen. Zur Gründungszeit – also eine Zeit der Krise.
   
Und heute? Auch heute: Angesichts der gesellschaftlichen Nachwirkungen der Pandemie, der Klima- und Energiekrise, angesichts eines Krieges in Europa und Millionen flüchtender Menschen stehe die Erwachsenenbildung und das Ev. Bildungshandeln wieder vor großen Herausforderungen, um in diesen Zeiten der Verunsicherung und tiefgreifender Irritation eben auch durch Bildungsangebote für die Menschen Möglichkeiten zu schaffen, sich neu zu vergewissern, wer und was Halt und Orientierung, Mut und Wissen zu einem eigenverantwortlichen Handeln geben kann – für Frieden, für Klimaneutralität und Nachhaltigkeit, für ein solidarisches Miteinander. Dafür benötigt der Verein Ev. HVHS Rastede auch weiterhin und besonders die Vernetzung mit und Unterstützung von Politik und Kirche, Kommune und Gemeinden, so Pfarrerin Martina Rambusch-Nowak.
   
Gerahmt wurden die Grußworte von Ernst-Gerd Wolter am Saxophon und Andreas Engelhardt am Klavier. In seiner anschließenden Lesung aus seinem Bestseller „Post von Karlheinz“ beeindruckte Hasnain Kazim die rund 100 Gäste mit seinem Mut zum Widerstand, der dumpfen Hass nicht unkommentiert lassen will, und mit seinem Humor, mit dem er Hassbriefeschreiber zu treffen und wütende Parolen zu demaskieren versucht. 

Kirche-Oldenburg
Ein Bildungsstandort mit Chancen und Potentialen