Von der Hofbibliothek zum Forschungsstandort mit internationalem Renommee – Die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel hat eine reiche Geschichte. Zu ihrem 450-jährigen Bestehen gewährt sie einige Einblicke und zeigt Wertvolles neben Kuriosem.

Wolfenbüttel (epd). «Was wir so alles haben – wen interessiert’s.
Wichtig ist, was wir draus machen», sagt Bibliotheksdirektor Peter Burschel nicht ganz ernst gemeint und mit einem Zwinkern. Dennoch fasst er mit diesen freien Worten zusammen, was schon Jahrhunderte vor ihm Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) ganz ähnlich über die Herzog August Bibliothek gesagt hat: Sie soll ein Platz sein, an dem nicht nur Wissen lagert, an ihr soll Wissen entstehen. Ein Fernglas in die Vergangenheit, um für die Gegenwart zu lernen. Ihr 450-jähriges Bestehen feiert sie mit einer Sonderausstellung.

Von Mittwoch (6. April) bis zum 3. Juli präsentiert das Haus eine Schau zur Geschichte des Wissens und der Kultur des Buches. Unter dem Titel «Wir machen Bücher» wird erstmals seit 2015 auch das Evangeliar Heinrichs des Löwen und Mathildes von England gezeigt, wie die Bibliothek mitteilte. Das bei seinem Kauf 1983 mit 32,5 Millionen Mark teuerste Buch der Welt können Besucher bis zum 17. Mai in der Schatzkammer bewundern. «Ein bisschen Protz muss sein», sagt Burschel.

Das Evangeliar gilt als eine der prachtvollsten Bilderhandschriften des Mittelalters. Es wurde in den 1180er Jahren von Herzog Heinrich dem Löwen (um 1130-1195) für die Braunschweiger Stiftskirche St. Blasius in Auftrag gegeben. 1983 wurde es in London für umgerechnet rund 17 Millionen Euro ersteigert. Aufgeschlagen wird passend zum Osterfest eine Seite mit der Darstellung von der Geißelung, Kreuzigung und Auferstehung Jesu.

Doch nicht nur an solch spektakulär bebilderten Werken lässt sich der Reiz der Schau festmachen. Direkt neben dem Evangeliar nämlich – unscheinbar und geradezu blass – liegt das originale Psalterium Martin Luthers (1483-1546) mit Zeilen über Zeilen gestochen scharfer handschriftlicher Notizen des Reformators. Das Werk aus dem Jahr 1513 ist ein weiteres Unikat von unschätzbarem Wert für die Forschung. «Darin liest man die Gedanken des vorreformatorischen Luthers», verrät Burschel.

Darüber hinaus sind einzigartige Manuskripte und seltene Drucke zu sehen, aber auch Kuriositäten, mit denen einstmals die Besucher unterhalten wurden. So zählen die berüchtigte «Ehebrecherbibel» mit einem Druckfehler («Du sollst Ehebrechen») und ein Tintenfass, mit dem Luther auf der Wartburg nach dem Teufel geworfen haben soll, zu den Schaustücken.
 

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Ein Fernglas in die Vergangenheit – Herzog August Bibliothek feiert 450-jähriges Bestehen mit Ausstellung