Äußerungen der AfD über Migranten und die Erinnerungskultur sorgen immer wieder für eine Debatte über die Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz. Eine epd-Umfrage zeigt, dass einzelne Mitglieder längst unter Beobachtung stehen.

Berlin/Hannover/Bremen (epd). Einzelne AfD-Mitglieder werden vom Verfassungsschutz beobachtet, auch wenn die Partei als Ganzes kein Objekt für den Inlandsgeheimdienst ist. Wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) unter den Verfassungsschutzbehörden der Bundesländer ergab, ist das unter anderem in Bayern der Fall. Es seien AfD-Mitglieder bekannt, die Verbindungen in die rechtsextremistische oder islamfeindliche Szene und zu den sogenannten Reichsbürgern aufweisen, teilte ein Sprecher mit. Unter diesen Einzelpersonen, die derzeit vom Verfassungsschutz in Bayern beobachtet würden, befänden sich auch Funktionäre der AfD, allerdings keine Mandatsträger

Aus dem niedersächsischen Innenministerium hieß es, Einzelpersonen fielen unter die Beobachtung, soweit sie in rechtsextremistischen Organisationen tätig sind. Die genaue Anzahl könne nicht genannt werden, da Mitgliederlisten der AfD, die kein Beobachtungsobjekt als Ganzes ist, nicht bekannt seien. «Dem Verfassungsschutz sind bislang lediglich Einzelfälle in Niedersachsen bekannt», sagte ein Sprecher des dortigen Verfassungsschutzes.

In Bremen ist die AfD aktuell kein Beobachtungsobjekt. Gleichwohl prüfe das Landesamt für Verfassungsschutz fortlaufend offen zugängliche Informationen, ob tatsächliche Anhaltspunkte für «Verhaltensweisen vorliegen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind», teilte eine Sprecherin mit.

Die Berliner Senatsinnenverwaltung verwies auf personelle Verknüpfungen zwischen Anhängern der AfD-Jugendorganisation «Junge Alternative» und der «Identitären Bewegung», die Thema in den Verfassungsschutzberichten der vergangenen Jahre gewesen sei. Über konkrete Beobachtung von Einzelfällen wollte sich der Sprecher aber nicht äußern: «Eine gesetzliche Pflicht, die Beobachtung einer Partei oder seiner Mitglieder öffentlich zu machen, besteht nicht», sagte er.

Die Innenministerien in Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen teilten mit, dass derzeit keine Einzelpersonen aus der AfD beobachtet werden. Die Behörden der anderen Bundesländer wollten keine Angaben zur Beobachtung von Einzelpersonen machen.

Eine Rede des AfD-Politikers André Poggenburg, in der er sich verächtlich über die Türkische Gemeinde in Deutschland äußerte, hatte erneut Forderungen nach einer Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz nach sich gezogen. Derzeit beobachten weder das Bundesamt für Verfassungsschutz noch die Verfassungsschützer der Länder die Partei. Eine Einflussnahme oder Steuerung der Partei durch Rechtsextremisten sei derzeit nicht erkennbar, erklärte das Bundesamt. Dort stehen derzeit nach Angaben der Pressestelle auch keine Einzelpersonen aus den Reihen der Partei unter Beobachtung.

Der Dresdner Politikwissenschaftler Steffen Kailitz plädierte für eine Beobachtung von Teilen der AfD durch den Verfassungsschutz. Dies sei «gerechtfertigt und notwendig vor allem im Falle der ostdeutschen Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen», sagte er dem epd. In diesen Ländern werde der «völkisch-nationale Flügel immer dominanter». Dieser rechtsradikale Teil der AfD habe auch innerhalb der Gesamtpartei eine «immer größere Kraft», sagte der Forscher am Dresdner Hannah-Arendt-Institut.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der «Frankfurter Rundschau» (Samstag/Sonntag) zur AfD: «In dieser Partei werden offen rechtsradikale Aussagen vertreten. Spitzenpolitiker und auch Abgeordnete des Bundestags äußern sich ohne Scheu in dieser Art.» Die AfD stelle die Legitimität des Bundestags in Frage und untergrabe damit die Demokratie. «All dies fügt unserem Land schweren Schaden zu», betonte Kauder. Nach wenigen Wochen der AfD im Bundestag lasse sich feststellen: «Diese Partei hat außer ihren rechtsradikalen und populistischen Sprüchen keine Lösungen zu bieten.»

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) bezeichnete die Forderung nach einer Beobachtung einzelner AfD-Mitglieder in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Samstag) als «plausibel». Zudem schrieb er in seinem Gastbeitrag, sollte die Radikalisierung in der AfD fortschreiten, könne eine Beobachtung der gesamten Partei durch den Verfassungsschutz «nicht ausgeschlossen werden».
Source: Kirche-Oldenburg