Aus Langeweile und weil er bewundert werden wollte, soll der Ex-Krankenpfleger Högel hundertfach gemordet haben. Seit Dienstag muss er sich für seine Taten vor Gericht verantworten. Im Gericht sitzen auch zahlreiche Angehörige.

Oldenburg (epd). Mit einer Schweigeminute für die Opfer und der Verlesung der Anklageschriften hat am Dienstagmorgen in Oldenburg der Mordprozess gegen den Ex-Krankenpfleger Niels Högel begonnen. Der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann betonte, er wolle insbesondere an die Menschen erinnern, die nicht mehr im Gerichtssaal sein könnten.

Oberstaatsanwältin Daniela Schiereck-Bohlmann erhob Anklage gegen den 41-jährigen Högel, der hundert Patienten zwischen 2000 und 2005 getötet haben soll. Högel soll seinen Opfern in Oldenburg und Delmenhorst Medikamente gespritzt haben, die zum Herzstillstand führten. Anschließend habe er versucht, sie zu reanimieren, um als Retter zu glänzen. Wegen sechs weiterer Taten verbüßt er bereits eine lebenslange Haftstrafe. (AZ: 5Ks 1/18)

An dem Prozess nehmen auch der Psychiater Konstantin Karyofilis und der emeritierte Professor Max Steller für Aussagepsychologie als Experten teil. Sie sollen nach dem Wunsch des Vorsitzenden Richters als Sachverständige die Schuldfähigkeit des Angeklagten und die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen beurteilen.

Schiereck-Bohlmann verlas über eine Stunde lang vier Anklageschriften. Die Hauptanklage umfasst die Fälle von 97 Patienten, die Högel getötet haben soll. Weitere drei Einzelfälle wurden mit jeweils eigenen Anklagen nachträglich in den Prozess integriert. Wegen sechs weiterer Taten verbüßt Högel bereits eine lebenslange Haftstrafe. Dabei wurde die besondere Schwere der Tat festgestellt, so dass er nicht nach 15 Jahren entlassen werden kann.

Der erste Prozesstag war bestimmt von der Anklageverlesung und einer ersten Befragung des Angeklagten. Dennoch sollen alle hundert Fälle einzeln verhandelt werden, versicherte Bührmann. Bis zum Mai ist der große Saal in der Weser-Ems-Halle für rund zwei Dutzend Verhandlungstage reserviert. Dazwischen seien längere Pausen vorgesehen, damit die Prozessbeteiligten alle Gutachten in Ruhe lesen könnten. Eine laute Verlesung, die sonst während einer Verhandlung üblich sei, sprenge den Zeitrahmen.

In der ersten Befragungsrunde beantwortete der in Wilhelmshaven geborene Högel Fragen zu seinem Werdegang. Wie viele seiner Verwandten habe auch er bereits früh entschieden, Krankenpfleger zu werden. Während seiner Zeit im Oldenburger Klinikum habe er damit begonnen, starke Schmerzmittel in größeren Mengen zu konsumieren, die er aus den Vorräten des Krankenhauses entwendet habe.

An dem Prozess vor der 5. Strafkammer des Oldenburger Landgerichts nehmen mehr als 120 Angehörige der Opfer als Nebenkläger teil, die durch 17 Anwälte vertreten werden. Über 70 Nebenkläger waren beim ersten Verhandlungstag dabei. Bislang sind 24 Prozesstage bis Mitte Mai 2019 anberaumt.
Source: Kirche-Oldenburg