Hannover (epd). Der hannoversche Pflegewissenschaftler Bernd Karow hat Politik, Krankenkassen und Pflegedienste aufgefordert, gemeinsam gegen den alarmierenden Fachkräftemangel in der ambulanten Kinderkrankenpflege vorzugehen. Zwar fehlten Fachkräfte in allen Bereichen der Pflege. Aber in der Versorgung schwerstkranker Kinder zu Hause sei die Situation besonders schlimm – mit gravierenden Auswirkungen für die Familien, sagte Karow in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die Eltern sind ohnehin hochbelastet, weil sie einen Großteil der Pflege – oft auch nachts – selbst leisten. Viele verzweifeln, wenn die ambulanten Dienste ihnen dann wegen Personalmangels absagen müssen."
In der ambulanten Pflege von Kindern könnten aufgrund der hohen Anforderungen ausschließlich examinierte Kräfte und keine Pflegehelfer eingesetzt werden, erläuterte der Experte von der Qualitätsgemeinschaft häusliche Kinderkrankenpflege in Niedersachsen. Er ist zugleich Mitarbeiter im Netzwerk für die Versorgung schwer kranker Kinder und Jugendlicher. Auch Berufsanfänger seien nur schwer einzusetzen, weil die Fachkräfte in der Regel alleine in einer Eins-zu-eins-Betreuung in der Familie seien. Eine Begleitung durch erfahrene Kollegen werde von den Krankenkassen nicht bezahlt. Die schlechtere Bezahlung der Pflegekräfte gegenüber denen in der stationären Pflege verschärfe die Situation zusätzlich.
Gleichzeitig steigt laut Karow der Bedarf an ambulanter Versorgung. Immer mehr Kinder, die mit schweren lebensbegrenzenden Erkrankungen geboren würden, überlebten aufgrund guter medizinischer Versorgung und würden nach Hause entlassen. Viele Kinder hätten auch eine deutlich längere Lebenserwartung als ursprünglich von den Ärzten vorhergesagt. Zugleich wollten zahlreiche Eltern ihre Kinder bei sich zu Hause haben. Die Entwicklung neuer Geräte ermögliche es zudem bereits seit einigen Jahren, auch beatmete und rund um die Uhr zu überwachende Kinder daheim zu versorgen.
Eine Chance, die Situation langfristig zu verbessern, sieht Karow in einer konzertierten Aktion aller Beteiligten. Die Krankenkassen müssten die Pflegesätze für die ambulante Pflege der Kinder erhöhen, damit die Dienste ihre Mitarbeiter besser bezahlen könnten. Die ambulanten Dienste sollten ihr Leistungsspektrum erweitern und auch stationäre Plätze vorhalten. Damit hätten sie eine zusätzliche Einnahmequelle, könnten selbst ausbilden und Berufsanfänger leichter einarbeiten. Die Politik sollte die Pflegedienste dabei finanziell unterstützen und Pilotprojekte initiieren.
Source: Kirche-Oldenburg