Bremen (epd). Um Flüchtlinge medizinisch gut versorgen zu können, muss Experten zufolge mehr in die interkulturelle Kompetenz bei Ärzten und Pflegekräften investiert werden. Diese müsse in einem Einwanderungsland wie Deutschland ein fester Bestandteil in der Aus- und Fortbildung werden, forderte am Donnerstag der Medizinethiker Ilhan Ilkilic bei einer internationalen Konferenz zur Gesundheit von Flüchtlingen in Bremen. Informationen zur «Kultur des Anderen» könnten helfen, besser auf schwierige Situationen zu reagieren, betonte der Professor aus Istanbul, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist.

In der Mediziner-Ausbildung sei das Wort Kultur kaum ein Thema, führte Ilkilic aus. «Es funktioniert aber nicht, wenn ich in Berlin Mediziner ausbilde, die später vielleicht im Kreuzberg arbeiten werden und das Thema Kultur in den Vorlesungen nicht einmal gehört haben.»

Bis Freitag diskutieren im Bremer «Haus der Wissenschaft» 50 Experten aus der Türkei, aus Belgien und aus Deutschland, wie krank Flucht macht und wie den Betroffenen am besten geholfen werden kann. «Zwei Länder stehen seit Monaten ganz besonders im Fokus der Flüchtlingskrise», sagte der Organisator und Sozialmediziner Hajo Zeeb vom Bremer Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. «Einerseits die Türkei, die im weltweiten Vergleich die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Und andererseits Deutschland, Sehnsuchtsort und Hauptziel der Migranten innerhalb der EU.»

Viele Flüchtlinge träten ihre gefährliche Reise zwar in einem relativ guten Gesundheitszustand an, sagte Zeeb. «Stress, Unsicherheit, schlechte Versorgung und viele andere Gefahren können jedoch große seelische und körperliche Probleme verursachen.» Um diese angemessen behandeln zu können, müssten die Flüchtlinge schnell in das normale Gesundheitssystem integriert werden. Da könne Deutschland von der Türkei lernen.

Ilkilic zufolge bekommen Flüchtlinge in der Türkei nach der Registrierung die volle gesundheitliche Versorgung, was insbesondere bei chronischen Krankheiten wichtig sei. Das passiere in Deutschland aufgrund des Asylbewerberleistungsgesetzes nicht. Überdies sei in den türkischen Flüchtlingsunterkünften fachliche medizinische Hilfe gesichert. In Deutschland gebe es in der Regel keine Ärzte in den Unterkünften, höchstens ehrenamtliche. Eine medizinische Hilfe sei rechtlich nur in Notfällen möglich. Ein Sozialarbeiter entscheide, ob ein Notfall vorliege.

Mehrfach betonten Experten die zentrale Rolle der Sprache, wenn es um die richtige Hilfe geht. «Sprache ist die Eintrittspforte», betonte Zeeb im Gespräch mit dem epd. Immer wieder wurde in diesem Zusammenhang auf Dolmetscher verwiesen, die nötig sind, damit sich Ärzte und Flüchtlinge verstehen. Allerdings fehle für sie offenbar oft das Geld.
Source: Kirche-Oldenburg