Hannover/Göttingen (epd). Nach dem Bekanntwerden der neuesten Prognosen zur Mitgliederentwicklung raten Experten den Kirchen, ihre Leistungen stärker hervorzuheben. «Die Leute müssen wieder wissen, wozu ihre Kirchensteuern gebraucht werden», sagte der Direktor des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland, Gerhard Wegner, in Hannover. Der Göttinger Theologie-Professor Jan Hermelink empfahl den Kirchengemeinden, mehr Möglichkeiten zum Engagement zu bieten.

Am Donnerstag hatten die evangelische und katholische Kirche in Deutschland, ihre Prognosen bis zum Jahr 2060 veröffentlicht. Danach wird die Mitgliederzahl der Kirchen und deren Finanzkraft bis zum Jahr 2060 um etwa die Hälfte sinken.

Die Studie zeigt Wegner zufolge auch, dass die Austrittszahlen vermindert werden könnten. Die Menschen träten nicht aus der Kirche aus, weil sie kirchenfeindlich wären. «Es ist schlimmer: Die Kirche ist ihnen gleichgültig geworden.» Daher sei es wichtig, Gelegenheiten zum erneuten Kennenlernen zu schaffen: etwa bei Dorffesten, in besonderen Gottesdiensten mit moderner Musik, in der Urlauberseelsorge oder über die kirchlichen Kindergärten, die einen ausgezeichneten Ruf genössen.

Auch die Taufe sollte offensiver beworben und mit großen Tauffesten gefeiert werden, unterstrich Wegner. Eigentlich seien Taufen beliebt. Doch er habe den Eindruck, dass die Taufe nicht mehr ernstgenommen werde, «weil die Menschen ihren Nutzen nicht mehr erkennen». Hier seien die Pastorinnen und Pastoren gefragt.

Der Theologie-Professor Hermelink appellierte an die Kirchengemeinden, Möglichkeiten für ein zeitlich befristetes Engagement zu schaffen. «Die Menschen sind bereit, sich in sinnvolle Projekte einzubringen, aber sie wollen nicht über Jahre daran gebunden sein.» Vorstellbar seien Klima-Projekte oder der zeitweilige Einsatz bei gemeindeeigenen Tafeln oder Kleiderkammern.

Die Menschen wollten mehr von ihrer Kirche, als nur am Sonntag die Predigt zu konsumieren, unterstrich der Professor. Gefragt sei eine Beteiligungskultur. Begrüßenswert seien vor allem gemeinsame Aktionen mit benachbarten Kirchengemeinden. Dafür biete sich beispielsweise die Männerarbeit an, die in vielen Gemeinden bisher überhaupt nicht stattfinde, obwohl die Männer im Alter um die 55 Jahre die meisten Kirchensteuern zahlten.
Source: Kirche-Oldenburg