Ganz Deutschland spricht über den demografischen Wandel und die Herausforderungen, die er mit sich bringt. Doch nicht nur in Europa, auch in Afrika stellt eine älter werdende Gesellschaft neue Anforderungen. Wie geht man hier wie dort mit dieser Problematik um? Welche Lebensmodelle gibt es? Einen Einblick gibt die kleine Ausstellung „frau wird älter“ der Norddeutschen Mission, die noch bis zum 31. Mai in der Oldenburger Lambertikirche zu sehen ist.

Entstanden ist die Ausstellung aus einem Studien- und Begegnungsprogramm von sechs evangelischen Kirchen in Norddeutschland, Ghana und Togo. 16 Delegierte aus verschiedenen Bereichen der Seniorenarbeit in Diakonie und Kirche hatten hier Gelegenheit, sich auszutauschen und die Herangehensweise der jeweils anderen Länder kennenzulernen. „Die Gäste aus Afrika waren erstaunt, wie organisiert und institutionalisiert die Seniorenarbeit in Deutschland ist“, erzählt Christiane Cuno, Seelsorgerin im Diakonischen Werk Oldenburg. Gemeinsam mit Hannes Menke, Generalsekretär der Norddeutschen Mission, eröffnete sie die Ausstellung am 4. Mai. Die professionelle Herangehensweise in Deutschland sollte die afrikanischen Besucher aber keineswegs hemmen, betont Menke: „Auch bei uns hat vieles klein angefangen und sich erst im Laufe von Jahrzehnten entwickelt. Dieser Hinweis ist eine Ermutigung an unsere Geschwister in Afrika, einfach anzufangen und sich den Herausforderungen zu stellen.“ Nicht nur für die Delegation aus Afrika, auch für die Deutschen sei der Austausch wichtig gewesen, betont Hannes Menke: „Man lernt dadurch, auch den Blick auf die eigene Situation zu schärfen – das ist spannend.“ Mit einer besonderen Kollekte, dem „Liebesdienst“, werden die hilfsbedürftigen Senioren in einigen westafrikanischen Gemeinden unterstützt. Aus Eigeninitiativen entstandene „Shepherd-Center“ bieten zudem eine Anlaufstelle für die alten Menschen. Dass sich in Deutschland gerade die Kirchen so intensiv für die Senioren einsetzen, sei für die afrikanischen Gäste erstaunlich gewesen, erzählt der Generalsekretär der Norddeutschen Mission und zitiert einen der Delegierten: „Wir hätten gar nicht gedacht, dass die Kirche in Deutschland so christlich ist.“

Lange habe man in Ländern wie Togo und Ghana auf die Großfamilie gesetzt, so Christiane Cuno. Tatsächlich aber wanderten auch dort die jungen Menschen seit Jahren in die Städte ab, wo es mehr und bessere Arbeitsplätze gebe und die Jungen den Anschluss an ein modernes Leben haben. Die Alten bleiben zurück – ohne Rente, ohne professionelle Versorgung. Wie Casia aus Ghana. Die 70-Jährige arbeitet in der Palmölherstellung, außerdem kümmert sie sich noch um ihre 81-jährige Schwägerin. In einer Wellblechhütte lebt sie zusammen mit einem ihrer Söhne, einem Enkel und einer Urenkelin. Oder Thérèse aus Togo, die in die Stadt ziehen musste, als sie herzkrank wurde. In ihrem Dorf gab es keine Möglichkeit der ärztlichen Versorgung. Gemeinsam mit einer Tochter, die sich um sie kümmert, wohnt sie nun in Lomé in einer provisorischen Hütte aus Pappe und Wellblech. Geschichten wie diesen stehen die Lebensläufe deutsche Seniorinnen gegenüber. Auch sie haben nicht immer ein einfaches Leben gehabt, sind durch Krieg und Schicksalsschläge entwurzelt worden. Doch es gibt ein System, das sie im Alter auffängt – dieser gravierende Unterscheid wird in den Lebensgeschichten deutlich. „Irgendwann kommt der Punkt, an dem professionelle Hilfe wichtig und notwendig wird“, betont Christiane Cuno. Gleichzeitig macht sie deutlich, dass auch in Deutschland ein Umdenken stattfinden müsse: Rente mit 60 und den Rest des Lebens im Ruhestand sein, das werde auch bei uns nicht mehr funktionieren. „Die Menschen werden sich langfristig mit dem einbringen müssen, was sie noch leisten können“, ist sie überzeugt.

Die Frage, warum die Ausstellung „frau wird älter“ heißt, ist schnell geklärt: Noch immer gibt es weltweit mehr alte Frauen als Männer, bei den über 80-Jährigen kommen auf hundert Frauen 61 Männer. „Praktisch alle Länder sind von dem demografischen Wandel erfasst“, erklärt die Diakonie-Seelsorgerin. Weltweit sei jeder neunte Mensch älter als 60, im Jahr 2050 werde es jeder fünfte sein – eine Entwicklung, die Deutschland schon heute erreicht hat. Besonders in China (durch die Ein-Kind-Politik) und in Indien (durch das Erstarken des Mittelstandes mit Auswirkungen auf die Familienplanung) werde das Problem einer alternden Gesellschaft in den kommenden Jahren verschärft. Doch nicht nur die Aufhebung des traditionellen Familienbildes und weniger Geburten schlügen sich auf die demografische Entwicklung nieder, so Hannes Menke. „Die Flüchtlinge, die aus Afrika nach Europa kommen, verschärfen dieses Problem noch. Denn gerade sie sind die jungen, hoffnungsvollen, engagierten Menschen, die in ihrem eigenen Land fehlen werden.“
Anke Brockmeyer
Source: Kirche-Oldenburg