Zum Reformationsjubiläum im Oldenburger Land fand am Sonntag, 23. Juli, in der St.-Petri-Kirche in Burhave ein Abendgottesdienst unter dem Motto „Mit unsrer Macht ist nichts getan“ nach dem Luther-Lied 362,2 aus dem Evangelischen Gesangsbuch statt. Bischof Jan Janssen ermutigte in seiner Predigt Christinnen und Christen im Land, sich öffentlich in der Kirche zu engagieren. „Allen Getauften kommt Mitverantwortung für die große Sache Jesu zu, ganz gleich welchem Beruf sie nachgehen“, sagte er am Sonntagabend in Burhave an der Nordseeküste. Janssen predigte im Rahmen einer Gottesdienstreihe anlässlich des 500. Reformationsjubiläums.

An dem Gottesdienst wirkten neben Bischof Janssen mit: Pfarrer Klaus Braje, Kreiskantor Gebhard von Hirschhausen, die Chorleiterin Christine Dubrowsky mit dem Kirchenchor Burhave und als Lektoren Elke Battenberg und Hans-Jürgen Nemeyer. Die von Bischof Janssen konzipierte Reihe „Ein feste Burg – ein frischer Blick“ mit 17 Gottesdiensten, 17 Predigten, 17 Lutherliedern und 17 Begegnungen und Gesprächen begann Pfingsten und wird bis zum Reformationstag Ende Oktober fortgesetzt. Bischof Janssen besucht hier vor allem die kleineren Kirchengemeinden, die üblicherweise nicht so im Rampenlicht stehen und die nun mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken.

„Uns stockt der Atem!“
In seiner Predigt bezog sich Bischof Jan Janssen auf das Evangelium Matthäus 10,26b-33, der dem Lutherlied „Ein feste Burg ist unser Gott“ und zwar der zweiten Strophe „Mit unsrer Macht ist nichts getan“ gegenübergestellt war. Es seien wenig bekannte Worte Jesus an seine Jünger, die bei ihrem Aussenden und Verkündigen durchaus nicht nur Freundliches erlebten. Da sei von Schafen unter den Wölfen oder von Tauben unter den Schlangen die Rede bis hin zur Lebensgefahr. Ein Riss gehe durch die Familien und hier klinge die aktuelle Lage der Christinnen und Christen im Mittleren Osten an. Jesus rufe zur Flucht auf. „Uns stockt der Atem!“, so der Bischof.

All das sei der Hintergrund für die leisen Töne, die Jesus dann trotzdem gegenüber seinen Mitarbeitenden anschlage. „Fürchtet euch nicht!“. Dagegen sei das wohl bekannteste Lied Martin Luthers lange Zeit viel zu laut und mit Inbrunst geschrien worden: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen“. Luthers Lied sei viel gebraucht, aber auch missbraucht worden. Vermischt mit Siegermentalität habe man es antikatholisch gesungen. Die Wartburg wurde zur Trutzburg, der Papst zum Teufel. Es war nationales Triumphgeheul der Soldaten, wurde gegen Christen und Nichtchristen eingesetzt.

Im Oldenburger Gesangbuch von 1792 verblieb Luthers Lied fast schon entschuldigend, es sei unverändert in der Liedersammlung aufgenommen worden als Denkmal seines hohen Mutes. Da sei es entlastend gewesen, als sich der frühere Bundespräsident Joachim Gauck diesen Choral als Abschiedslied am Ende seiner Amtszeit wünschte. „Und es tut gut, das Lied mit neuen Tönen anders zu be-Ton-en – im Rock-Oratorium, in Jazz-Fassungen, als Kinderlied“, so Janssen.

Feste Burg und frischer Blick
Bischof Janssen ging auch der Frage nach, wie tragfähig die feste Burg heute ist und wie frisch der Blick: „2017 – aus Anlass von 500 Jahren Reformation freue ich mich hier gemeinsam mit Ihnen Gottesdienst zu feiern. Ein feste Burg – eine tragfähige Zuflucht bietet unser Gott.“ Helfen solle den Gläubigen, was Martin Luther für die Kirche neu entdeckt habe im neuen Nachdenken über den Glauben, beim Bibelübersetzen oder in seinen Worten und Liedern.
 
„Triumphal oder trutzig kann die Burg also kaum sein. Und dass es mit unserer Macht nicht so weit her ist, wissen wir bei ehrlichem Blick auf unser Werden und Wirken auch“, so Janssen. Das lasse sich auch an der Geschichte der St.-Petri-Kirche in Burhave ablesen, die so oft gerade mal überlebt habe wegen gewaltiger Sturmfluten. In diesem Jahr werde der Sturmflut vor 300 Jahren gedacht, die als verheerende Weihnachtsflut von 1717 in die Geschichtsbücher einging und mehreren tausend Menschen ebenso vielen Tieren das Leben und kostete. „Allein die Tafel hier in Burhave unter der Empore benennt 142 Tote“.

In Butjadingen seien Menschen in Kämpfen mit Sachsen und Bremern, gegen Oldenburger, Welfen und Napoleon gefallen und auch nicht nur im Zweiten Weltkrieg! Denn auch heute lebten Menschen mitten in der Region, die in aktuellen Kriegen terrorisiert und traumatisiert würden, die Gewalt erleiden müssten. „Kriege und Krankheiten mögen Vergangenheit sein – diese Selbstverständlichkeit, in der wir unsere Welt für machbar halten, unser Leben im Griff und Gewinn zu haben meinen – wäre Luther völlig fremd!“, erklärte der Bischof. Luthers Entdeckung, dass Gott zu allererst barmherzig und gnädig mit uns sein wolle, habe gerade deshalb so befreiende Kraft, weil Luther nüchtern auch die Verlorenheit und die Machtlosigkeit der Menschen erkenne.

Janssen bezeichnete es geradezu als Aufmunterung und Auftrag die Worte Jesu, die er einst in der Finsternis und leise verkündete wie einst die Jünger ins Licht zu tragen und von den Dächern zu rufen und überraschende Wege zu gehen, Mut zu zeigen, in die Öffentlichkeit auf Marktplätze zu gehen, dort, wo die Menschen seien.

Janssen verwies auch auf die Taufzeremonie und nannte sie die wohl größte Wiederentdeckung Martin Luthers, derer in der Reformation gedacht werde. „Allen Getauften kommt Mitverantwortung für die große Sache Jesu zu, ganz gleich welchem Beruf sie nachgehen. Das hat klare Konsequenzen für das Leben der Kirche, besonders für die Mitwirkung der Frauen, ohne die keine Reformation unserer Kirche auch nur denkbar wäre“, so Janssen.

Zweifach Geburtstage
Gleich zwei Geburtstage galt es am Sonntag im Rahmen des Gottesdienstes in der gut gefüllten St.-Petri-Kirche in Burhave zu feiern. Zum einen beging der langjährige Pastor Klaus Braje seinen 59. Geburtstag, weshalb ihm Bischof Janssen und die Gemeinde ein herzliches „Viel Glück und viel Segen“ anstimmten. Noch bemerkenswerter war jedoch die Tatsache, dass exakt am gleichen Tag auch die St.-Petri-Kirche ihren Geburtstag feiert, jedes Jahr auf’s Neue zusammen mit ihrem Pastor Braje. Die Kirche wurde am 23. Juli 1880 nach dreijähriger Bauzeit eingeweiht.

Da der voranschreitende Neubau erheblich von den Plänen des Architekten Lutz aus Osnabrück abwich, wollte die Gemeinde eine Besichtigung vornehmen, die jedoch energisch verweigert wurde. Der damalige Pastor notierte dazu: „… verwehrte uns Unternehmer Wrede mit geladenem Revolver den Eintritt in die Kirche.“ Eine richtige Räuberpistole also. Die Vorläufer der heutigen Kirche gehen zurück ins 13. Jahrhundert, wo erste Belege auf eine Sandsteinkirche hinweisen, die zum Schutz vor den Nordseefluten auf einer acht Meter hohen Wurt erbaut wurde.

Pastor Braje wird im September sein 30-jähriges Dienstjubiläum in der St.-Petri-Kirche feiern. Am Sonntag gab es für die Gläubigen schon mal salzige Kekse in Fischform und süße Kekse in Kirchenform und dazu ein „Reformationsgebräu“ aus Rosenfeld in Baden-Württemberg.

Ein Beitrag von Beatrix Schulte.

Weitere Informationen zur Gottesdienstreihe mit Bischof Jan Janssen zum Reformationsjubiläum finden Sie im Format PDF unter: www.kirche-oldenburg.de/fileadmin/Redakteure/PDF/PDFs_2017/17-Events-PDF-www.pdf  

Weitere Informationen unter: www.oldenburg2017.de  
Source: Kirche-Oldenburg