Loccum/Kr. Nienburg (epd). Ein Jahr nach dem Beschluss des Bundestages zur «Ehe für alle» denkt die hannoversche Landeskirche über ein vertieftes Bild der Ehe nach. «Wir wollen neu nach dem evangelischen Verständnis der Ehe fragen, weil der Ehebegriff geweitet wurde», sagte der Hildesheimer Regionalbischof Eckhard Gorka am Freitag zum Auftakt einer Tagung der Evangelischen Akademie Loccum bei Nienburg. Die Kirche wolle weiter mit guten Gründen zu einer evangelisch geprägten Ehe einladen. Es stelle sich jedoch die Frage, ob womöglich liturgische Texte erneuert werden müssten. Der Bundestag hatte im Sommer 2017 beschlossen, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu öffnen.

In der Landeskirche zwischen Hann. Münden und der Nordseeküste wurden im vergangenen Jahr 5.835 Paare evangelisch getraut. Gleichgeschlechtliche Paare hätten seit dem Bundestagsbeschluss bislang nur in Einzelfällen eine Trauung oder Segnung gewünscht, sagte Gorka. Trete ein gleichgeschlechtliches Paar vor den Altar, sei der Unterschied zu einer traditionellen kirchlichen Trauung in der Praxis nicht zu erkennen.

Bei der Tagung erläuterte der Göttinger Theologieprofessor Martin Laube, die Ehe befinde sich in einem Spannungsverhältnis zwischen Liebe und Rechtsinstitut. Nachdem in der Gesellschaft lange der Aspekt der Liebesbeziehung betont worden sei, erhalte durch den Bundestagsbeschluss nun die institutionelle Seite der Ehe wieder neue Aufmerksamkeit. Beide Seiten seien jedoch aufeinander bezogen und dürften nicht auseinandergerissen werden.

Der Mainzer Theologieprofessor Ruben Zimmermann betonte, nach dem Verständnis des Neuen Testaments seien beide Ehepartner gleichwertig und gleichberechtigt. Er wies darauf hin, dass der Gesetzgeber in Deutschland trotz der zahlreichen Scheidungen daran festhalte, dass die Ehe «auf Lebenszeit» geschlossen werde. Zwar kenne auch das Neue Testament das Scheitern der Ehe. «Aber können wir nicht barmherzig Menschen begleiten, die gescheitert sind, und trotzdem weiter von Hoffnung einer lebenslangen Ehe sprechen?», fragte er.

An der Tagung, die vom Bischofsrat der Landeskirche mitorganisiert worden war, nahmen leitenden Theologen aus ganz Deutschland teil. Einige deutsche Landeskirchen haben bereits beschlossen, die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare mit der traditionellen Trauung gleichzustellen. Allerdings seien die Beschlusslagen und die damit verbundenen Haltungen zu der Frage nicht in allen 20 Landeskirchen gleich, sagte Akademiedirektor Stephan Schaede. «Nach wie vor bestehen mehr oder weniger offen ausgetragene Kontroversen, die noch nicht überwunden sind.»

Die Evangelische Akademie Loccum gehört zu den ältesten und renommiertesten unter den 17 evangelischen Akademien in Deutschland. Zu ihren jährlich etwa 70 Fachtagungen kommen rund 5.000 Besucherinnen und Besucher.
Source: Kirche-Oldenburg