Leer (epd). Der Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche, Martin Heimbucher, hat einen kritischen Umgang mit der fortschreitenden Digitalisierung angemahnt. «Wir können uns ihr nicht verweigern, sie aber mit einem wachen Geist sinnvoll nutzen», sagte der Theologe im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Den technologischen Systemen dürfe jedoch keine Macht über Menschen eingeräumt werden.
«Wie alle großartigen Erfindungen der Menschheit hat auch die Digitalisierung ihre Risiken, Nebenwirkungen und Abgründe», sagte Heimbucher. Die Faszination des Machbaren könne schnell in leichtfertige Naivität mit weitreichenden Folgen ausarten.
Das erste Gebot in der Bibel («Du sollst keine anderen Götter haben neben mir!») warne vor einer solchen von Menschen gemachten Faszination, betonte der Theologe. «Wir müssen allen Bestrebungen widerstehen, die digitalen Systemen Macht über Menschen verleihen.» In Karikaturen werde Gott als allmächtig und allwissend dargestellt. «Und genau das versuchen diese Systeme, nämlich mit technischen Mitteln Wissen zu sammeln und so Macht über Menschen zu gewinnen.»
Die Folgen solcher Ideen hätten sich in den 1970er Jahren bei der Suche nach RAF-Terroristen in der Rasterfahndung gezeigt. Damals seien alle verfügbaren Daten über die gesamte Bevölkerung gesammelt und miteinander abgeglichen worden, um einzelne Personen ausfindig zu machen. Hier müsse eine Grenze gezogen werden: «Kein Mensch und kein System darf einen Allmachts-Anspruch über andere Menschen erheben.»
Außerdem plädierte Heimbucher dafür, Debatten in demokratischen Gesellschaften ausschließlich unter den Klarnamen zu führen. «Es wird immer Foren geben, in denen sich Menschen hinter anonymen Bezeichnungen verstecken, aber die sind nicht relevant. Relevant ist, was Leute mit offenem Gesicht oder ersatzweise mit eigenem Namen sagen und schreiben. Nur das zählt wirklich.»
Trotz aller Kritik ermutigte Heimbucher seine Kirche, die Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung stärker als bisher zu nutzen. «Wenn wir uns der Gefahren bewusst sind, können wir das Gute daran verwenden.» Selbst in Gottesdiensten könnten die sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder Twitter künftig eine Rolle spielen: «Wir haben uns daran gewöhnt, dass der Gottesdienst eine Unterrichtsveranstaltung geworden ist, nach dem Motto: Vorne sagt einer etwas Kluges, und die anderen hören nur zu.» Ein Gottesdienst sollte aber eine interaktive und kommunikative Angelegenheit sein. Persönliche Gebete könnten über die sozialen Medien aktuell in den Gottesdienst mit eingeflochten werden. «Da sollten wir experimentierfreudiger werden.»
Source: Kirche-Oldenburg