Hannover (epd). Tanja Brand-Hupe ist erst seit rund drei Jahren Küsterin. Obwohl sie wie die meisten ihrer Kolleginnen und Kollegen nur in Teilzeit beschäftigt ist, schätzt die gelernte Zahnarzthelferin ihren jetzigen Beruf. «Ob Taufe, Hochzeit oder Konfirmation, wir sind an all den tollen Festen beteiligt, die den Menschen etwas bedeuten», sagt sie, während sie Zweige in mit Wasser getränkte Steckmasse stopft. In der Justus-von-Liebig-Schule in Hannover, an der sonst Floristen ausgebildet werden, lässt sich Brand-Hupe zeigen, wie sie die Ästchen und Blüten zu einem wirkungsvollen Gesteck kombinieren kann.

 

Die Floristik-Meisterin Brigitte Feldkamp hat auf eine Tafel geschrieben, worauf es unter anderem ankommt. Ein Gesteck kann symmetrisch sein oder bewusst in Asymmetrie gehalten. In einer Kirche könne die Architektur des Gebäudes dafür ein Anhaltspunkt sein, sagt sie. Bei einer Fortbildung lauschen ihr rund 20 Küsterinnen und Küster aus Niedersachsen. Und Sylvia Soller brennt gleich etwas unter den Nägeln. «Unser Altar ist bunt und groß, mit viel Gold», sagt die Küsterin aus Sarstedt bei Hildesheim. «Da wird es ganz schwierig, etwas passend zu gestalten.»

 

Kurz vor dem kalendarischen Frühlingsanfang können die Frauen und Männer bei ihrem Übungstag aus dem Vollen schöpfen. Nach und nach tragen sie Eimer voller Löwenmäulchen, Ehrenpreis, Levkojen, Rosen, Tulpen, Iris, Schleierkraut und Bartnelken auf den hohen Werktisch der Berufsfachschule. Doch angesichts steigender Preise demonstriert Feldkamp auch, wie sich wenige Blumen eindrucksvoll in Szene setzen lassen. «Die Iris hat eine lanzettförmige Blüte und damit eine aufstrebende Bewegung, und so setze ich sie auch ein», sagt sie und greift nach einem Exemplar in zartgelb.

 

Die Küsterinnen und Küster sorgen nicht nur dafür, dass in der Kirche alles am rechten Ort ist und Gottesdienste und andere Veranstaltungen feierlich und reibungslos ablaufen können. «Sie machen die Türe auf und heißen die Menschen willkommen», erläutert Christa Schulz-Achelis von der kirchlichen Berufsgruppenarbeit. Ihr Symbol sei der Schlüssel. Rund 1.800 von ihnen sind allein in der hannoverschen Landeskirche tätig, der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland.

 

Auch die Küsterin und Fachberaterin für den Kirchensprengel Hildesheim-Göttingen, Ulrike Busch, sieht sich als eine Art Gastgeberin. «Ich möchte die Kirche einladend gestalten», betont sie. Frischer Blumenschmuck gehört für sie dazu. Topfpflanzen auf dem Altar kommen dagegen nicht infrage, obwohl nirgends steht, dass dies verboten ist.

 

Der Referent vom Evangelischen Zentrum für Gottesdienst und Kirchenmusik in Hildesheim, Stephan Goldschmidt, kennt keine Landeskirche, die dazu ein Gesetz hat. Doch symbolisch gesehen seien vergehende Schnittblumen der ursprünglichen Bedeutung des Altars als Opfertisch näher. «Die Zwecklosigkeit hat einen liturgischen Grund.» Im Christentum werde der Altar als «Tisch des Herrn» gesehen, an dem auch das Abendmahl gefeiert werde.

 

Brigitte Feldkamp ist jetzt beim Thema Farbenlehre angekommen. Ein Komplementärkontrast etwa aus Gelb und Violett wirke aufregend. Für Beerdigungen komme eher ein Ton-in-Ton gehaltenes Bukett infrage, sagt die Floristin, die selbst Kirchenvorsteherin ist. Auch die kirchliche Feste spielten bei der Farbauswahl eine Rolle. Rot etwa werde gern bei Konfirmationen verwendet. Während einige Blumen wie die «herrische Strelitzie» anderen die Schau stählen und besser allein wirkten, ordne sich etwa das Schleierkraut unter. Es sei wie Rosen für Brautsträuße geeignet, die als Ganzes wirkten.

 

In einer schmalen, hohen Glasvase drapiert Feldkamp, die auch Landesverbands-Vizepräsidentin des Fachverbandes Deutscher Floristen ist, locker gewundenen Metalldraht und ein paar Zweige. Sie bereiten die Bühne für drei Blüten. «Bei wenigen Pflanzen bietet sich eine ungerade Zahl an», erläutert sie. Und schnell ist eine Diskussion um das Budget für den Blumenschmuck in Gang, das die Küsterinnen und Küster zur Verfügung haben. Gespart werde ohnehin, indem die Gottesdienste im Winter in Gemeindehäusern stattfänden, um Heizkosten im Griff zu behalten, erzählen viele. In den kleineren Räumen könnten Sträuße und Gestecke dann auch ruhig bescheidener ausfallen.

 

Fast alle haben inzwischen ein Gesteck oder Blumenarrangement fertig. Und auch Sylvia Soller ist zufrieden. In ihrem Kunstwerk dominieren gelbe Chrysanthemen und Iris. «Das nimmt die Goldtöne des Altars auf und passt dann doch gut.»

Kirche-Oldenburg
Herrische Strelitzien und leises Schleierkraut – Küsterinnen und Küster lassen sich die Gestaltung mit Blumen erklären