Wenn Therapie auf Spaß trifft: Nach diesem Motto sollen künftig vermehrt Videospiele in Pflegeheimen körperliche und geistige Fähigkeiten trainieren – und dabei auch noch die Lebensfreude stärken. Ein bundesweites Projekt testet, ob das klappen kann.

Bremen (epd). Mit ihrem rechten Arm holt Margret Warnken kräftig aus und schwingt ihre Hand in einem weiten Bogen nach vorne. Ein Kamerasensor überträgt die Bewegung der 85-Jährigen über eine Spielekonsole auf einen Fernseher, der eine virtuelle Figur in einer Kegelbahn zeigt. Ihr Schwung bringt den Mann in Bewegung und lässt eine Kugel über die Bahn rollen, die Sekunden später die Kegel stürzt. «Alle Neune», ruft das Publikum im Bremer Johanniterhaus und klatscht begeistert Beifall.

Das Altenheim hat sich einer Studie angeschlossen: In den nächsten Monaten soll in bundesweit 100 ausgewählten Pflegeeinrichtungen untersucht werden, ob digitale Videospiele die Gesundheit Älterer fördern können. «Wenn Therapie auf Spaß trifft» – mit diesem Slogan wirbt das Hamburger Unternehmen «RetroBrain» für ihre «Memore-Box», die nun auch im Saal des Johanniterhauses steht. Bremens Altbürgermeister Henning Scherf, Bestsellerautor und prominentes Mitglied einer Alten-WG, ist Schirmherr für das Projekt in der Hansestadt.

Die Barmer Krankenkasse hat bereits eine erste Pilotphase in Berlin und Hamburg begleitet und finanziert nun auch die bundesweite Testreihe. Schon jetzt ist die Landesgeschäftsführerin der Kasse in Niedersachsen und Bremen, Heike Sander, von der Box überzeugt: «Die Trainingsprogramme fördern körperliche und geistige Fähigkeiten, bringen Menschen zusammen, nehmen auf Entdeckungsreisen mit und sind auf spielerische Art und Weise herausfordernd.»

Wer möchte, kann vor der Spielekonsole nicht nur kegeln, sondern auch Tischtennis spielen, tanzen, Briefe austragen oder auf dem Motorrad eine Spritztour ins Grüne starten. Und natürlich singen, beispielsweise zu Helene Fischers Hit «Atemlos».

Besonders die Motorradtour wird von der Runde im Johanniterhaus engagiert ausprobiert. Wer mitmachen will, steht vor der Box oder setzt sich auf einen Stuhl und verlagert sein Gewicht nach links oder rechts, um sich so in die Kurven zu legen. Auf diese Weise lässt sich das Motorrad auf dem Bildschirm steuern. Das geht auch im Rollstuhl problemlos. «Und ganz unbemerkt werden Gleichgewicht und Gedächtnis trainiert», erläutert Jens Brandis, Projektmanager von RetroBrain.

Günter Schlesinger, 90 Jahre alt, hat sich für das Tanzen entschieden. Nach dem Schlager-Klassiker «Bel Ami» bewegt er sich mit zunehmendem Spaß vor der Konsole und erntet wie andere auch am Ende eine Menge Beifall. «Da wird man persönlich gefordert», findet er und fügt hinzu: «Das trägt dazu bei, dass man in Bewegung kommt.»

Auch Henning Scherf, selbst 80 Jahre alt, probiert die Memore-Box aus, tanzt und spielt Tischtennis. «Der Spaß hat mich angesteckt», berichtet er anschließend und findet vor allem das Spiel in der Gemeinschaft gut. «Wenn ich das mit anderen zusammen mache, das ist doch eine tolle Sache. Da kommt man raus aus Einsamkeit und Isolation, das gibt Tagesstruktur.» Und weil einige Spiele auch die Reaktionsfähigkeit herausfordern und Denkaufgaben stellen, ist der Schirmherr fest überzeugt: «Im hohen Alter lässt sich der Kopf noch mobilisieren.»

Ob das mit den Spielen tatsächlich gelingt, soll die wissenschaftliche Begleitung durch Forscher der Berliner Humboldt-Universität aber erst noch zeigen. Ersten Hinweisen zufolge werden Motorik, Ausdauer und Koordinationsfähigkeiten verbessert, Stand- und Gangsicherheit der Teilnehmenden gestärkt. Ganz nebenbei stellen sich Erfolgserlebnisse ein, auch für Margret Warnken. Denn nachdem sie beim Kegeln zunächst einige «Pudel» verkraften musste, wirft sie bald alle Kegel um. Am Ende verlässt sie zufrieden und mit einem Lächeln die virtuelle Kegelbahn.

Source: Kirche-Oldenburg