Sabine Wistuba ist die Leiterin des Christus-Kindergartens. Seit drei Jahrzehnten hat sie viele Bewegungen in der Kindertagesstätten Szene erlebt. Die Corona Krise führt auch sie an die Grenzen des Machbaren. Das Interview ist hier zu lesen.
Ein Jahr Corona und kein Ende? Wie geht es der KiTA Situation gerade?
Uns geht es gut, die Kinder sind glücklich wieder hier zu sein. Wir sind gerade im eingeschränkten Regelbetrieb angekommen, d. h. die Kinder sind alle wieder da. Allerdings dürfen die Gruppen nicht gemischt werden, was das Angebot der Sonderöffnungszeiten einschränkt, denn die waren „früher“ ein Angebot für alle Familien.
Die Erzieher*innen gewöhnen sich gerade wieder an volle Gruppen. Gerne würden wir die reduzierte Gruppengröße beibehalten, denn in dieser Zeit konnten wir unglaubliche Fortschritte bei den Kindern die da waren beobachten. Was logisch ist, denn 8-14 Kinder und zwei bzw. drei pädagogische Fachkräfte, da hat man Möglichkeiten die in den großen Gruppen (24 Kinder) einfach nicht erreicht werden können.
Bei aller Freude über die zurückgekehrten Kinder….die Sorge um die eigene gesundheitliche Sicherheit als Erzieher*in, die bleibt. Krippen- und Kindergartenkinder auf Abstand, das geht nicht. Nähe ist hier Beziehung und ohne geht es einfach nicht.
Was macht dir am meisten Sorgen?
Pädagogisch habe ich Angst um die Sprachentwicklung der Kinder. Über die Hälfte der Kinder war ganz lange nicht im Kindergarten. Zudem gehört über die Hälfte unserer Kinder einem anderen Kulturkreis an und sie sind noch nicht so lange in Deutschland. Sie und ihre Familien sprechen kein Deutsch und waren jetzt durch den Lock down wieder lange unter sich. Singen, ein wertvolles Instrument der Sprachförderung, war und ist nicht erlaubt. Nur im Freien…
Und, wenn wir bei Corona bleiben, ich sorge mich um meine Mitarbeitenden, für die es keinen wirklichen Schutz gibt. Corona gibt es auch immer wieder in Kindergärten und trotzdem müssen wir uns, bisher ohne Impfangebot, Tag täglich dem aussetzen. Da fühlen wir uns von der Politik schon allein gelassen….
Was ich der Landespolitik schon immer sagen wollte:
Ich würde sie gerne etwas fragen! Geht es bei ihrer Politik um ein Angebot zur Betreuung, oder um frühkindliche Bildung?
Ich weiß natürlich über den Fachkräftemangel, den spüren wir deutlich. Trotzdem denke ich, immer mehr Kitas werden gebaut und in Betrieb genommen. Immer noch mit dem Personalschlüssel 25:2. Eine grobe Missachtung dessen, was wir Pädagogen/Pädagoginnen seit Jahren fordern. Irgendwann wird man uns fragen, was habt ihr eigentlich in den Kindergärten gemacht? Die Kinder kommen mit immer weniger in der Schule an. Weil die Gruppen zu groß sind um adäquat fördern zu können. Unsere Gesellschaft und unsere Familienwirklichkeiten haben sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert. Dem wird nicht Rechnung getragen.
Kinder UND Familien brauchen viel mehr einzelne Zuwendung. Aber was passiert? Nichts! Mir scheint, es geht um Betreuung, nicht um Bildung und Erziehung. Wenn das neue Kita-Gesetz in der empfohlenen Fassung verabschiedet wird, wird Niedersachsens Bildungsniveau sinken. Das prophezeie ich schon mal.
Testen und Impfen! Wie sieht das im Christus-Kiga aus?
Im Christus-Kindergarten und in der Kindertagesstätte Inselviertel wird seit der 11.KW im Haus getestet. Zwei Mal in der Woche mache ich meinen Kolleg*innen dieses Angebot und es wird gerne angenommen. Wenigstens das können wir jetzt anbieten.
Die Stadt hat angefragt, wer sich von uns impfen lassen möchte und hat bereits eine Liste erhalten. …und nun warten wir auf das Impfangebot….. Das ist beklemmend, denn wir dachten es geht jetzt zügig voran. Gerade, weil nun wieder alle Familien kommen dürfen.
Wie groß ist der Druck der Eltern? Kannst du das verstehen? Wie klappt das mit den Eltern?
Ich habe das bereits im 1. Lock down gesagt und das gilt immer noch: Wir haben klasse Eltern! Alle sind in dieser Zeit sehr verständnisvoll gewesen und haben sich wirklich um Unterbringungsmöglichkeiten für ihre Kinder bemüht. Homeoffice mit Kindern zuhause, das ist nicht witzig, aber sie haben es diese ganze lange Zeit geschafft. Bei wem es nicht ging, der konnte ja kommen. Und da, wo ein Elternteil zuhause war, da haben es die Familien auch wirklich großartig gemeistert. Anfang März wurde es enger, aber nun ist ja auch wieder mehr möglich.
Wo sind wir im August?
Ich hoffe ein gutes Stück raus aus der Pandemie. Aber das ist nur eine Hoffnung….
Was wird sich auch in Zukunft durch Corona verändern bei euch?
Alt bewährtes mit neu gefundenem wollen wir miteinander verbinden. Krippenspiel und Schulkind-Verabschiedung, beides und anderes mussten wir neu denken und das hat uns sehr gut gefallen. Da werden wir anknüpfen, wenn Corona vorbei ist und da freuen wir uns schon drauf. Anderes, wie Gruppentrennung, wird ersatzlos gestrichen.