Osnabrück/Köln (epd). Der Osnabrücker Islamwissenschaftler Bülent Ucar warnt angesichts der Diskussionen um die massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht vor pauschalisierenden Urteilen über den Islam. "Wenn ein paar hundert verhaltensgestörte, alkoholisierte Migranten sich so aufführen, dann ist das ein Fall für die Staatsanwaltschaft und hat nichts mit Religion zu tun", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Der Islam fordert nicht ein, dass Menschen sich betrinken oder fremde Frauen anbaggern", betonte der Professor und Direktor des Instituts für Islamische Theologie in Osnabrück: "Im Gegenteil: Das widerspricht all unseren religiösen Vorstellungen, egal ob sunnitisch, schiitisch oder salafistisch, ob liberal oder konservativ."

Aus solchen Verhaltensweisen Einzelner lasse sich kein Gegeneinander von Islam und Christentum oder "von aufgeklärter westlicher Moderne und patriarchalischer rückständiger orientalischer Kultur" konstruieren, erläuterte Ucar. Entsprechende Kommentare in sozialen Netzwerken oder von vermeintlichen Experten seien völlig undifferenziert.

Solche Taten müssen nach Ucars Worten strafrechtlich verfolgt werden. "Ich bin auch der Meinung, dass Gäste sich hier wie Gäste benehmen sollten. Und wenn sie das nicht tun, kann das durchaus dazu führen, dass sie ausgewiesen werden." Diese Konsequenz sei umso mehr gerechtfertigt, weil solches Verhalten die gesellschaftliche Atmosphäre vergifte und den unbescholtenen, leidgeprüften Flüchtlingen wie auch den Muslimen im Allgemeinen schade.

Daraus dürften aber nicht Rückschlüsse auf die Flüchtlinge im Allgemeinen gezogen werden, sagte der Professor für Religionspädagogik: "Das grenzt an Kollektiv- oder Sippenhaft. Das kennen wir aus dem Mittelalter, ist aber im modernen Strafrecht nicht vorgesehen."
Source: Kirche-Oldenburg