Göttingen (epd). Verleger, Autoren und Sportjournalisten haben eine Kampagne zum Boykott der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar gestartet. Bei diesem Turnier würden «so viele Gebote der sportlichen und politischen Fairness verletzt, dass es uns unverantwortlich erscheint, an diesem Ereignis teilzuhaben – ob als aktiver Sportler, Funktionär oder nur als TV-Zuschauer», heißt es in einem in Göttingen verbreiteten Appell. Initiatoren sind die Lektoren und Sportbuchautoren Bernd Beyer-Schwarzbach und Dietrich Schulze-Marmeling vom Verlag Die Werkstatt. Der 1981 in Göttingen gegründete Verlag ist auf kritische Bücher zum Thema Fußball spezialisiert.
   
Der Weltfußballverband FIFA nehme für sich in Anspruch, Menschenrechte ernst zu nehmen, heißt in dem inzwischen von zahlreichen Einzelpersonen und Fan-Organisationen unterzeichneten Aufruf weiter. Zu den FIFA-Statuten zähle die Ablehnung jeglicher Diskriminierung aufgrund von Religion, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Im Katar sei Homosexualität jedoch gesetzlich verboten. Frauen würden durch gesetzliche Regelungen stark benachteiligt, die individuelle Lossagung vom Islam werde als Kapitalverbrechen verfolgt. Auch Besuchern des WM-Turniers drohten Sanktionen, sofern sie sich als homosexuell bzw. «queer» outeten oder «unangemessene Kleidung» trügen, beispielsweise kniefreie Hosen oder schulterfreie Oberteile.
   
Die Bedingungen, unter denen ausländische Gastarbeiter in Katar auf den WM-Baustellen schuften müssen, sind den Verfassern des Aufrufs zufolge unmenschlich: «Sie leben in schlimmsten Wohnverhältnissen, werden teilweise um ihren Lohn betrogen und arbeiten unter gefährlichen Umständen.» Zudem hätten sie kein Recht auf Kündigung, teilweise nicht einmal auf Heimreise. Nach verschiedenen Berichten seien bisher mehrere hundert Arbeiter auf den Stadionbauten ums Leben gekommen.
   
Schließlich existiere in Katar keine historisch gewachsene Fußballkultur mit Traditionsvereinen und einer nennenswerten Fanbasis. Fußball sei dort im Wesentlichen «ein mit viel Geld gezüchtetes Retortenprodukt, und die Stadien gleichen potemkinschen Dörfern». Die Entscheidung, Katar als Austragungsland zu wählen, folge denn auch nicht sportlichen, sondern allein kommerziellen Erwägungen. Katar sehe in dem WM-Turnier die Krönung seiner bisherigen Investitionen, mit deren Hilfe sich das Land im Sport-Business ein zukunftsträchtiges Geschäftsfeld eröffnen wolle. Die FIFA erhoffe sich durch das Turnier neue Perspektiven auf den Märkten der islamischen Regionen.
   
«Wir Fußballfans sind keine Träumer», heißt es abschließend. «Wir wissen, dass der Fußball seit seinen Pioniertagen kommerziellen Tendenzen und Manipulationen unterliegt. In gewisser Weise muss der Fußball und müssen wir damit leben.» Aber es gebe Situationen, in denen eine kritische Kommentierung nicht reiche, sondern ein praktisches Zeichen gesetzt werden müsse. Die WM in Katar sei solch ein Fall, in dem zu viele Grenzen überschritten würden. «Unser Ziel ist es, das lukrative Zusammenspiel zwischen FIFA, Sponsoren und autokratischen Regimen zu stören», erklären die Unterzeichner des Appells. «Es darf für sie nicht mehr attraktiv sein, die WM auf diese pervertierte Art zu präsentieren und den Fußball weiter zu ruinieren.»
   
Internet: https://www.boycott-qatar.de 

Aufruf: https://www.boycott-qatar.de/aufruf 

Kirche-Oldenburg
Kampagne zum Boykott der Fußball-WM in Katar gestartet